Die dunkle Armee
»Ich glaube, die Akademie ist nur auf die Lehre ausgerichtet und auf diese Situation nicht richtig eingestellt. Ich glaube, Ihr benutzt nicht alle Einrichtungen und Dienste, auf die Ihr genau wie alle anderen wichtigen Institutionen der Konkordanz zurückgreifen könnt. Dabei ist mir klar, dass Ihr noch eine sehr junge Organisation seid und Eure Arbeit noch sehr weit davon entfernt ist, sich auf die ganze Konkordanz ausbreiten zu können. Ihr hattet recht mit der Einschätzung, dass es noch Generationen dauern wird. Sobald aber Euer Feind zum Freund wird, wird Euer Weg glatter und gerader verlaufen. So geht der Orden schon seit langer Zeit vor. Nur Felice glaubt, Unterdrückung sei der bessere Weg.«
»Aber damit irrt sie sich, nicht wahr?«, sagte Arducius.
»Manche lernen es nie«, stimmte Herine zu. »Ich hoffe nicht, dass Ihr zu denen gehört.«
Auf einmal spreizte Ossacer die Finger. »Wir sollten mit Marschall Vasselis reden, nicht wahr?«
»Meinen Glückwunsch, jetzt denkt Ihr nach«, antwortete Herine. »Aber seid vorsichtig, wenn Ihr mit ihm redet. Vergesst nicht, was ihn seine Hilfe für den Aufstieg gekostet hat. Er ist nicht mehr der Mann, der er früher einmal war.«
Arducius nickte. »Wir haben versucht, ihn in die Arbeit der Akademie einzubinden. Er wäre ein hervorragender Vertreter unserer Interessen gewesen. Leider hat er abgelehnt. Meines Wissens ist er in Caraduk und hat seit Jahren seine Villa in Cirandon nicht mehr verlassen.«
»Nun, er begibt sich durchaus auf Reisen«, erklärte Herine. »Er ist nach wie vor ein zuverlässiger, hervorragender Marschallverteidiger. Allerdings hat er seinen Erben verloren, und weitere Kinder können sie nicht haben. Daher ist er gebrochen.«
»Dann sollten wir ihn doch lieber in Ruhe lassen«, überlegte Ossacer. »Damit er seinen Frieden findet.«
Herine schüttelte den Kopf. »Tut das nicht. Er wird in einigen Tagen kommen, und dann reisen wir gemeinsam zum Solastropalast, um der Vollversammlung des Senats beizuwohnen. Redet mit ihm und lasst es ihn selbst entscheiden. Es würde ihn noch mehr treffen, wenn er den Eindruck bekäme, Ihr hieltet ihn Kovans wegen für nutzlos.«
Immer noch trieb dieser Name den Aufgestiegenen eine Träne ins Auge. Auch er war ein Held der Konkordanz. Erst siebzehn Jahre alt, hatte er sein Leben gegeben, um Mirron und damit vielleicht die ganze Konkordanz zu retten. Doch sein Vater Arvan Vasselis hatte dies in seinem Kummer nicht als Ruhmestat und Trost sehen können, worüber Herine unendlich traurig war. Sie hatte einen Freund verloren, der eine Leere zurückgelassen hatte.
»Meine Advokatin?«
»Ja … Arducius? Entschuldigt, ich war in Gedanken.«
»Uns ist klar, dass Ihr nicht nur hergekommen seid, um uns zu erklären, dass wir die Sache in Estorr falsch anpacken. Was wollt Ihr von uns?«
In Ossacers blinden Augen schimmerte Misstrauen, und sein Bruder sah sie wissend an.
»Ihr habt bisher noch keine Angehörigen der nächsten Generation mitgenommen?«
»Ihr meint, wir haben sie noch nicht ins Gefecht geschickt?«, fragte Ossacer zurück.
»Es ist mir ziemlich egal, wie Ihr das nennt. Ich will nur wissen, ob sie schon mit Euch draußen waren, und ob sie in der Öffentlichkeit und unter Druck ihre Fähigkeiten demonstriert haben.«
Herine starrte Ossacer an, denn sie wusste, dass er ihre Stimmung fühlen konnte, und warnte ihn stumm, sie ja nicht mehr weiter zu reizen. Er war keineswegs eingeschüchtert, so viel war klar. Manchmal wäre es ihr lieber, er würde sich hinter seiner Behinderung verstecken. Ein Durcheinander bunter Farben überflutete seine Augen, dann beruhigten sie sich und zeigten ein kühles Blau.
»Nein, wir haben sie nicht mitgenommen. Es ist da draußen zu gefährlich für sie, und so lange wir nicht sicher sind, dass sie mit dem Hass und dem Misstrauen umgehen können, lassen wir sie nicht hinaus.«
»Das war lobenswert, und ich konnte dem uneingeschränkt zustimmen«, sagte Herine. »Bis gestern und bis heute Morgen. Jetzt habe ich meine Meinung geändert. Wie Euch bekannt ist, bereitet sich die Konkordanz auf einen Krieg vor. Auch der Aufstieg muss bereit sein, denn möglicherweise brauchen wir Euch. Es scheint mir, als seien die Warnungen Eures Freundes Harban, dieses heißblütigen Karku, durchaus berechtigt gewesen. Die Tsardonier greifen Gosland und Gestern an.«
Ossacers Gesicht war aschfahl. »Was sollen wir denn nun für Euch tun, meine Advokatin?«
»Du meine Güte«, sagte
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