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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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Hals geworfen und ihn mit einem gezielten Biss ins Jenseits befördert. So hob ich mir das für den Heimweg mit Klara auf. Wir drängten zwei Braunhemden in einer Hofeinfahrt in die Enge und spielten ihnen vor, dass wir zwei leichte Mädchen auf Freiersuche wären. Worauf sie aber leider gar nicht ansprachen. Vermutlich wirkten wir ihnen nicht arisch genug oder sie hatten Angst, sich eine Geschlechtskrankheit zu holen. Also machten wir kurzen Prozess. Jede von uns schnappte sich eins der Jüngelchen und erstickte mit vampirischer Kraft jede Gegenwehr. Seltsam, dass in Körpern mit so krausen Gehirnen so gutes Blut fließen konnte! Wir ließen die beiden im Hinterhof liegen, was mir nachher leidtat, denn ich hatte nicht an die Kinder gedacht, die dort am nächstenTag vielleicht spielen würden. Aber wir waren nach der Störung der Theateraufführung so verärgert, dass wir den Jungs nur jeder noch einen Tritt verpassten und uns dann schnellstens auf den Weg ins Gewerkschaftsbüro machten, um Gegenmaßnahmen gegen den braunen Terror zu besprechen.
     
    O
stern 1930 wurde Lysander in der Nähe der Brüderstraße eingeschult. Leider konnte nur Conrad dabei sein, aber er berichtete mir sehr anschaulich von der kleinen Feier. Zur Begrüßung wurde das Stück vom Zuckertütenbaum aufgeführt, ein Relikt aus der Kaiserzeit, aber die Kinder hatten ihre Freude daran und pflückten sich stolz ihre kleine Zuckertüte vom Baum. Ein Jahr später hatte dann Lysette das gleiche Vergnügen.
    Es begann eine aufregende Zeit für Conrad und mich, denn beide Kinder waren aufgeweckt und kontaktfreudig und brachten sehr bald Freunde mit nach Hause, vor denen wir natürlich angestrengt unser normales Familienleben aufrechterhalten mussten. Es war nicht immer einfach, die ewig zugezogenen Vorhänge mit meiner Lichtallergie zu begründen. Die neuen Freunde waren meist etwas irritiert, hatten Angst vor Ansteckung und machten sich auch hin und wieder einen Spaß daraus, ganz plötzlich die Vorhänge aufzuziehen, um zu prüfen, ob das, was ich ihnen erklärt hatte, auch nicht geschwindelt war. Dass sie mich, Friedrich und Klara damit mitunter in Lebensgefahr brachten, ahnten sie natürlich nicht. Doch als sich dann ein fester Freundeskreis herauskristallisierte, klappte alles recht problemlos, besonders da Conrad, außer in Vollmondnächten, keine Auffälligkeiten zeigte und so auch bei Tageslicht und auf Ausflügen blendend den Vorzeigepapa geben konnte.
    Die Kindergeburtstage bei uns waren sogar die beliebtesten der ganzen Klasse, denn da boten wir herrlich gruselige Inszenierungen, bei denen Friedrich, Klara und ich tragende Rollen übernahmen und sehr lebensechte Vampire spielten.
     
    Auch die Berliner Börse hatte ihren schwarzen Freitag, infolgedessen eine Bank nach der anderen zusammenbrach und zeitweilig der vollständige Staatsbankrott drohte.
    Die Erinnerung an die Zeit der großen Inflation machte die Menschen ohnehin unruhig, und als im Februar mehr als tausend Arbeiter in Berlin gegen die Akkordlöhne streikten, sperrten die Unternehmer bis zum 3. März rund sechzigtausend Metallarbeiter aus.
    Der Gewerkschaftsbund musste Streikgeld zahlen, und Gewerkschaftsfrauen waren ständig mit der Gulaschkanone unterwegs, um die Arbeiter, die Tag und Nacht vor den Werkstoren Wache schoben, mit einer warmen Mahlzeit zu versorgen. Ich übernahm natürlich mit Klara die Nachtschichten und wir brachten Essen und aufmunternde Flugblätter zu den Streikposten. Doch je länger die Aussperrung anhielt, umso hoffnungsloser wurde die Lage.
    »Wir haben kein Geld mehr«, sagte Klara resignierend, als wir eines Nachts durch den Regen in die Brüderstraße zurückgingen. »Es reicht kaum noch für die nächsten Tage. Wenn bis dahin keine Einigung mit den Bossen erzielt wird, fängt das Hungern an.«
    Aber nach einer Einigung sah es nicht aus. Als dann auch noch die Mai-Demonstration verboten wurde, weil sie angeblich die innere Sicherheit gefährdete, kochte die Volksseele über, und am 1. Mai strömten besonders unsere gewerkschaftlich organisierten Arbeiter in Massen zu ihremtraditionellen Kampftag auf die Straßen und Plätze. Conrad war mit den Kindern mitten unter ihnen. Mit blutiger Nase kehrte er zurück in die Gewerkschaftszentrale, wo ich mit Klara in einem fensterlosen Hinterzimmer zitternd am Volksempfänger gehockt hatte. Natürlich kritisierte ich ihn wegen seiner Leichtfertigkeit. Immerhin waren dreiunddreißig Tote bei den

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