Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
Vom Netzwerk:
fiel uns besonders ins Auge, denn er machte noch einmal ganzseitig auf seinem Titelblatt gegen die Nazis mobil.
    WARNUNG!, titelte er: Wer mit dem Faschismus spielt, der spielt mit Deutschlands Untergang!
    Doch Ende Januar hatte Hitler es dennoch geschafft.
    Am Montag, den 30. Januar 1933, warf mir Conrad, als er aus der Klinik nach Hause kam, die Vossische Zeitung auf den Schreibtisch.
    Kabinett Hitler-Papen-Hugenberg, Regierung der Harzburger Front ohne Verständigung mit dem Zentrum ernannt, stand auf dem Titel und entsetzt fragte ich:
    »Heißt das, dass der Reichspräsident Hitler zum Reichskanzler ernannt hat?«
    Conrad nickte. Mir wurde schwarz vor Augen. Dann fiel mein Blick auf einen Kommentar, der die Frage aufwarf, die uns allen unter den Nägeln brannte: Welche Garantien bestehen, dass der nationalsozialistische Führer die Macht, die ihm übertragen worden ist, nur im Rahmen der Verfassung und auf dem Boden der Rechtsordnung ausüben wird?
    »Keine«, sagte Conrad.
     
    Tatsächlich erfolgte der Rundumschlag gegen alle politischen Gegner sofort. Jeden Tag standen andere alarmierende Schlagzeilen auf den Titelseiten der Berliner Presse. Die Abschaffung der verfassungsmäßigen Bürgerrechte beganndann am 4. Februar mit der ersten Notverordnung »Zum Schutz des deutschen Volkes« und der damit verfügten scharfen Einschränkung der Versammlungs-, Rede- und Pressefreiheit.
    Am 27. Februar saß ich abends mit Klara und den Gewerkschaftsfrauen zusammen. Wir diskutierten gerade sehr erregt, wie wir in Zukunft bei unseren Aktionen das Versammlungs- und Redeverbot umgehen könnten, als Conrad hereinstürzte und berichtete, dass der Reichstag in Flammen stehe. Uns allen war schlagartig klar, dass dies den Nazis den Vorwand liefern würde, noch radikaler gegen ihre Gegner vorzugehen.
    »Wer immer den Reichstag angezündet hat, er hat Hitler damit in die Hände gespielt«, sagte Klara.
    Sie sollte recht behalten, und die nächsten Reichstagswahlen am 5. März waren die letzten, die man frei nennen konnte. Die NSDAP eroberte eine haushohe Mehrheit und verschaffte mit dem Gesetz Zur Behebung der Not von Volk und Staat Hitler praktisch diktatorische Vollmachten, welche dieser sofort zu nutzen wusste, um die NS-Ideologie endgültig in Staat und Volk zu verankern und mit allen Gegnern aufzuräumen.
    Indem sie den 1. Mai zum Tag der nationalen Arbeit erklärten, vereinnahmten die Nazis geschickt den traditionellen Kampftag der gewerkschaftlich organisierten Arbeiterklasse. Am Tag nach der gigantischen Mai-Kundgebung stürmte eine SA-Horde in das Gewerkschaftsbüro, pöbelte herum, zerstörte Möbel, Schreib- und Druckmaschinen und prügelte schließlich alle anwesenden Gewerkschafter aus dem Gewerkschaftshaus. Fünfzig Funktionäre freier Gewerkschaften wurden zur gleichen Zeit in sogenannte »Schutzhaft« genommen. Wir erfuhren es, als Klara undich abends zur Arbeit kamen und nur Verwüstung vorfanden. Wir brachen beide in Tränen aus.
    »Das geht nicht gut«, stammelte Klara, »das kann nicht gut gehen … diese Leute sind Deutschlands Verderben!«
    Die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterschaft wurde Zug um Zug auf allen Ebenen zerschlagen und durch nationalsozialistische Betriebszellen ersetzt. Unsere Arbeit waren Klara und ich damit los, und wir konnten nur noch im Untergrund operieren. Da wir dafür wenigstens unserer Natur nach gemacht waren, hatte diese Illegalität sogar zunächst eine gewisse Faszination. Bald jedoch mussten wir hilflos zusehen, wie überall Oppositionelle verhaftet und verschleppt wurden.
    Dann stürmte eines Tages ein Trupp von der SA das Antikriegsmuseum, zerstörte die Ausstellung und schleppte kistenweise Dokumente weg. Danach blieb das Gebäude eine Weile geschlossen, um dann in ein SA-Heim umgewandelt zu werden.
    »Es ist einfach nur pervers«, sagte Friedrich erschüttert und wollte nie wieder darüber sprechen.
    »Lasst sie uns umbringen«, schlug Klara kämpferisch vor. »Diesen Goebbels und Hitler! Wozu sind wir Vampire? Was kann uns schon passieren?«
    Gerne hätte ich ihr zugestimmt, aber der Zeitpunkt war bereits verpasst, zu den führenden Köpfen konnte man kaum noch vordringen. Und was mich persönlich betraf, war ich zum ersten Mal kleinmütig. Statt den Umsturz zu wagen, wollte ich nichts anderes, als meine Familie und Freunde beschützen, bis der braune Ungeist an sich selbst erstickt war.
    Vermutlich dachten viele wie ich. Zu viele!
     
    Die drohenden Zeichen

Weitere Kostenlose Bücher