Die Dunkle Erinnerung
Zimmer Jacob Holmes ist und dass er tatsächlich der Mann ist, der Sie im Wald überfallen hat.«
»Und wie wollen Sie das herausfinden?«, fragte Erin skeptisch. »Dieser Mann hat Sie zwanzig Jahre lang zum Narren gehalten.«
»Zunächst«, erwiderte Cathy, »untersuchen wir seine Fingerabdrücke und vergleichen seine Handschrift mit anderen Mustern. Zudem hat Ihr Angreifer sich in den letzten zwei Tagen viel in Gentle Oaks aufgehalten. Deshalb nehmen wir in der Klinik Fingerabdrücke. Falls sie mit denen des Mannes im Motelzimmer übereinstimmen, können wir ihn mit ziemlicher Sicherheit identifizieren.
Außerdem habe ich ein Team abgestellt, das sich mit Holmes' Hintergrund und seinen Aktivitäten befasst. Die Leute prüfen, wo er sich in den vergangenen zwanzig Jahren aufgehalten hat, und vergleichen diese Orte mit den Schauplätzen ungelöster Kindesentführungen. Das braucht natürlich Zeit, doch am Ende wird das Ergebnis stehen, ob Holmes überhaupt als Täter infrage kommt.«
»Hatte er nun mit Claires Entführung zu tun oder nicht?«
Cathy warf Donovan einen Blick zu. Offenbar graute ihr vor der Antwort, die sie Erin würde geben müssen. »Das ist noch nicht schlüssig. Wir müssen erst viel tiefer graben. Bisher wissen wir, dass er viel gereist ist, Vorträge auf Ärztekongressen gehalten hat und als Berater verschiedener Unis tätig war. Und er hielt sich zu den Zeiten, als Fälle ungeklärter Kindesentführung geschehen sind, in bestimmten Städten auf. Was bedeutet, dass er der Entführer gewesen sein könnte.«
Cathy machte eine Pause und verschränkte die Arme. »Es gibt aber auch Fälle, bei denen er nicht mal in der Nähe war. Auch das muss nichts zu bedeuten haben, denn selbst wenn er der Magician ist, kann er nicht für sämtliche ungeklärten Fälle vermisster Kinder verantwortlich sein. In den letzten Wochen hat er sich allerdings im Großraum D.C. und Virginia aufgehalten, und …«
»Und er war 1985 in Miami«, ergänzte Erin.
Cathy zögerte. »Ja. Als Berater an der Uni.« Sie nahm Erins Arm und zog sie ein Stück fort. »Lassen Sie uns unsere Arbeit tun, Erin. Sie haben ja selber zugegeben, dass Sie keine Ermittlerin sind. Ich hingegen habe Erfahrung, und Donovan ist einer unserer Besten. Wir finden schon heraus, was dahinter steckt.«
Die Sanitäter rollten die Leiche auf einer Bahre aus dem Haus und luden sie in den wartenden Rettungswagen. Erin schaute ihnen gedankenverloren zu. Sie konnte sich unmöglich sicher sein, dass Jacob Holmes Selbstmord begangen hatte. Doch Cathy hatte Recht: Sie durfte nicht zulassen, dass die FBI-Agentin von ihrer Angst angesteckt wurde.
»Also gut«, erklärte sie sich einverstanden. »Warten wir ab, was Sie herausfinden.« Sobald die Ermittlungsergebnisse vorlagen, konnte sie immer noch entscheiden, ob sie an Selbstmord glaubte oder den Rest ihres Lebens mit ängstlichen Blicken über die Schulter verbringen wollte, wie der Abschiedsbrief nahe legte.
Cathy lächelte gequält und winkte Donovan herbei. »Was gibt's Neues von Neville?«
Donovan berichtete, was sie in Nevilles Haus gefunden hatten – und was nicht.
»Wir sind also mit der Suche nach Cody Sanders kein Stück weitergekommen«, sagte Cathy seufzend.
»Vergessen wir den Totengräber nicht«, entgegnete Donovan. »Und dann ist da noch Nevilles anderes Haus, dieser makabere Landsitz.«
»Den wir nicht betreten dürfen«, sagte Cathy und schaute ihn skeptisch an. Auch Erin blickte Donovan an und begriff – endlich einmal waren sie einer Meinung. Die Antworten auf alle offenen Fragen waren in Middleburg zu finden. Nun brauchten sie nur noch einen letzten Anstoß, einen winzigen Hoffnungsschimmer, dass die Spur, die zu Cody Sanders führte, in diesem Haus zu finden war.
Wieder läutete Donovans Handy. Erin hielt den Atem an. War dies der Anruf, den sie so dringend erwarteten?
Donovan meldete sich, lauschte und nickte Erin zu. Endlich, der Durchbruch.
»Warten Sie«, rief er plötzlich, jedoch vergeblich, der Anrufer hatte die Verbindung beendet. Ein paar Sekunden lauschte Donovan noch, dann stellte er das Handy ab. »Das war Totengräber«, erklärte er Cathy und Erin. »Er hat mir gesagt, wo wir den Jungen finden.«
Erin wollte sich keinen falschen Hoffnungen hingeben. Der Junge, der sie sehnlichst erwartete, musste nicht unbedingt Cody Sanders sein. Ebenso war es falsch, darauf zu hoffen, dass der Magician nicht mehr lebte. Vermutlich würden sie diesen anderen Jungen finden,
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