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Die dunkle Muse

Die dunkle Muse

Titel: Die dunkle Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Oehri
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haben wir es«, meinte er entzückt
und legte eine Fotografie mit der Vorderseite nach unten auf den Tisch.
    Gespannt
zog Bentheim das Papier über die Tischplatte und wendete es.
    »Albrecht,
du Ferkel!«, entfuhr es ihm. »Woher hast du das?«
    »Die Frage
ist nicht, woher ich das habe, sondern wer die Frau ist.«
    »Und wer
ist sie?«
    »Rate mal.«
    Er betrachtete
die Fotografie eingehend und hielt dann die Hände schützend darüber. Das, was er
gesehen hatte, irritierte ihn überaus. Abgebildet war ein vollbusiges Fräulein,
das unbekleidet in einer Art Fantasielandschaft stand, die an die griechische Antike
erinnerte. Am linken Bildrand erhob sich eine Säule, an welche sich die Frau in
erotischer Pose anlehnte. In der rechten Hand hielt sie ein Bündel Weintrauben,
mit der Linken vollführte sie eine laszive Bewegung, indem sie sich eine Beere an
die Lippen hielt und mit der Zungenspitze berührte. Auf dem Kopf trug die Nackte
einen Lorbeerkranz. Das Bild war handkoloriert und vor allem den Brustwarzen hatte
der anonyme Künstler ein besonderes Augenmerk gewidmet: Sie leuchteten in greller
roter Farbe. Bentheim fiel auf, dass das Fotomodell nicht dazu benutzt worden war,
um abstrahierende und künstlerisch verfremdete Detailansichten abzubilden, welche
die Formen und Konturen des menschlichen Körpers betont hätten. Nein, vielmehr zeigte
das Foto einen klassischen Vollakt. Selbst die Hüftpartie war deutlich zu erkennen.
    »Ist das
die Freundin des Gerichtsdieners?«
    »Knapp daneben.
Es ist die werte Gattin«, antwortete Albrecht selbstzufrieden.
    »Du weißt,
dass das illegal ist?«
    »Ach, Julius,
sei kein Spielverderber. Ich sehe mich als Künstler. Schon Benvenuto Cellini und
Leonardo da Vinci haben sich dem Studium des menschlichen Körpers und seiner Anatomie
gewidmet. Wie kann man es folglich mir, dem Laien, verwehren?«
    »In Paris
wurde der Fotograf Moulin vor ein paar Jahren für seine pikante Kunst mit einem
Monat Gefängnis bestraft.«
    »Der Unterschied
liegt aber darin, dass bei ihm die Polizei problemlos recherchieren konnte, ohne
Leuten aus der Oberschicht auf die Zehen zu treten. Moulin hatte als Modelle nämlich
Prostituierte und Tänzerinnen aus dem Varieté gewählt.«
    »Und du?«
    »Ich?«,
lachte Albrecht. »Ich gebe mich mittlerweile erst mit dem höheren Bürgertum und
dem niederen Adel zufrieden. Eine Direktorengattin muss es sein. Oder eine dralle
Baronesse. Du glaubst gar nicht, wie einträglich so ein Auftrag sein kann.«
    »Es gibt
eine Branche für so etwas?«, staunte Julius.
    Albrecht
Krosick nahm seinen letzten Schluck Bier und nickte vergnügt. »Julius, mein Freund,
wir treffen eine Abmachung. Ich bringe es zustande, dass du als Gerichtszeichner
angestellt wirst und im Gegenzug hältst du mich auf dem Laufenden, was den Fall
Goltz angeht, und vielleicht findet sich auch hin und wieder ein lukrativer Auftrag,
den ich dir zuschanzen kann.«
    »Was interessiert
dich an dem Professor?«
    »An ihm
persönlich nicht viel. Aber der Fall an sich ist doch außergewöhnlich spannend,
findest du nicht auch? Dieser Mord ist so subtil wie ein Pavianarsch. Als Fotograf
werden lediglich meine Bilder vom Tatort und von der Leiche von Nutzen sein. Ich
selbst werde wohl nicht einmal als Zeuge geladen. Vor zwei Tagen habe ich Gideon
Horlitz getroffen. Du ahnst nicht, was im Hintergrund für Fäden gezogen werden.«
    »Gibt es
neue Entwicklungen?«
    »Einen Moment,
bitte.« Krosick gab der Schankmagd ein Zeichen und deutete auf seinen leeren Krug.
»Wo waren wir? Ach ja, der liebe Professor Goltz. Anscheinend hat er einen Pflichtverteidiger,
der wie eine Marionette nach seiner Pfeife tanzt. Ihr erster Antrag, den sie an
den zuständigen Richter Karl Otto von Leps stellten, betraf die Forderung nach einer
erneuten Tatortbegehung. Gewünscht wurde zudem, dass ein externes Anwaltsbüro für
die Bestandsaufnahme zuständig sein sollte. Wie ich mir habe sagen lassen, mussten
drei Leute in stundenlanger Arbeit den Lichtschacht der Mietskaserne entrümpeln.
Auch die Nachbarin wurde von dieser Kanzlei noch einmal zum Ablauf jenes Abends
vernommen, an dem Botho Goltz an ihre Tür klopfte.«
    »Wenn du
mich fragst, ist etwas faul an der Sache.«
    »Das hat
Horlitz bereits in der Charité vermutet. Nun, Julius, ist dein Interesse geweckt?«
    »Das war
es schon zuvor.«
    »Du nimmst
die Ferientätigkeit als Zeichner also an?«
    »Natürlich.«
    Die Bedienung
unterbrach ihr Gespräch, als sie dem

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