Die dunkle Seite des Ruhms
bereits gesprochen, Jérome! Du lieber Himmel, laß mich wenigstens heute damit in Ruh. Laß mich einmal richtig traurig sein! Nicht einmal am Grab hat man seine Ruhe!« Hunters blickte auf den blumenübersäten Sarg. Die letzten Trauergäste schritten vorüber. »Du kündigst nicht!«
Ballister ging zurück zu Lora und faßte sie unter. »Komm«, sagte er leise. »Wir verschwinden. Oder willst du das Totenessen mitmachen?«
»Nein!« Sie lehnte sich an ihn. Daß Felicitas nicht gekommen war, empfand sie als wohltuend. »Ob der Mörder unter uns ist?«
»Das kümmert mich herzlich wenig.«
»Aber mich! Ich frage mich immer: Wer wird das nächste Opfer?«
»Daran solltest du nie denken! Vielleicht ist es gerade das Ziel dieses Unbekannten, Unruhe, Verwirrung und Panik zwischen uns zu bringen.«
»Aber warum? Was haben wir denn getan, daß man uns fertig machen will?«
»Diese Frage bleibt immer, Lora.« Er zog sie vom Grab weg, führte sie zu dem vor dem Friedhof wartenden Wagen und ließ sie einsteigen. Eine rührende Szene war es, wie er über ihre Wange strich, ehe er die Tür zuwarf. Darkster, im Hintergrund lauernd, fotografierte auch das. Eine herrliche Bildfolge gibt das, dachte er. Der neue Tartüff, ein Heuchler großer Klasse! Hier streichelt er seine Frau, in Tripolis spielt er mit der nackten Saunders auf dem Hotelbalkon. Wenn das kein Vermögen wert ist.
Darkster ließ keine Zeit unnütz verstreichen. Eine Stunde nach dem Begräbnis rief er bei Ballister an.
»Ich habe was für Sie, Jérome«, sagte er leutselig und mit verstellter tiefer Stimme. »Wenn Sie das sehen, werden Sie jubeln! Ich sage Ihnen: Von Ihnen ist noch kein Foto so natürlich und echt gemacht worden, so vital, möchte ich sagen!«
»Wer sind Sie?« fragte Ballister kurz.
»Aber Ballister! Solche dummen Fragen!«
»Heben Sie Ihre Zeit für etwas Besseres auf, wie ich!«
»Legen Sie nicht auf, Jérome! Lora sieht sehr mitgenommen aus …«
Darkster hörte, wie Ballister die Luft durch die Nase einzog. »Was ist mit Lora?« fragte er.
»Sie wirkt zerbrechlich.«
»Was geht das Sie an?«
»Ich mache mir Sorgen, daß sie Enthüllungen gegenüber nicht mehr stark genug ist.«
»Hören Sie mal zu, mein Junge«, sagte Ballister langsam. »Was Sie auch glauben, auf der Pfanne zu haben, ich bin nicht erpreßbar! Sie kennen mich anscheinend nicht.«
»Ich kenne Sie zu gut, Jérome! Besser, als jeder andere. Ich bin sogar mit Ihrer intimen Anatomie vertraut. Nicht schlecht übrigens, sieht man Ihnen so gar nicht an! Nur weil ich Sie so gut kenne, erlaube ich mir, mit Ihnen so vertraut zu sprechen.«
»Ich gebe Ihnen eine Adresse«, sagte Ballister nüchtern.
»Das ist nett. Von wem denn?«
»Von einem guten Psychiater –«
»Ballister, schlagen Sie keine Salti! Ich bin vollkommen klar. Ist Ihnen Tripolis ein Begriff?«
»Natürlich.«
»Und das schöne Hotel ›Es Sidra‹?«
»Da habe ich gewohnt.«
»Auf einer anderen Etage als unsere herrliche Felicitas Saunders. Aber eines Morgens trat die Schöne auf Ihrem Balkon ins Freie, und sie war überhaupt von oben bis unten so wundervoll frei wie der helle Morgenhimmel …«
»Sie Saukerl!« sagte Ballister ruhig.
»Ich besitze eine Motorkamera, Jérome. Ich kann Ihnen sagen, was ich da geschossen habe, einfach Klasse! Für mich, einen kleinen Mann, bedeutet das eine Sternstunde. Die keusche Witwe Saunders und der treue Ehemann Ballister.«
»Wo kann ich Sie treffen?« fragte Ballister ohne jegliche Erregung. Dagegen arbeitete es in seinem Gehirn wie ein rasender Computer. Diese Fotos wären Loras sicherer Tod! Sie wären auch Felicitas' Ende. Bei allen Frauenverbänden gilt sie als die eiserne Witwe, die nur dem Andenken ihres in Vietnam gefallenen Mannes lebt. Den Ruhm, den sie sich in ihrem Beruf erarbeitet hatte, übertrug sich auch auf den Toten. Es war sein Name. Saunders. Wenn die Bilder veröffentlicht wurden, stürzte ein Denkmal. Nichts ist in Amerika tödlicher als die Enttäuschung der Frauenverbände. Und gerade ein Fernsehsender lebt von der Sehbeteiligung der Frauen. Die Reklamespots sprechen vor allem sie an. Ein fotografierter Ehebruch der Saunders kostete ACF Millionen Dollar. Es war eine klare Situation, mit der Ballister nun fertigwerden mußte.
Darkster grinste ins Telefon. »Ich glaube, Ballister, Sie halten mich noch immer für einen Schwachsinnigen! Warum sollten wir uns treffen?«
»Ich möchte Ihnen die Negative abkaufen.«
»Das können wir
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