Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller
vertraute Dalmate ihm an. »Daher habe ich Zeit zum Überlegen. Ich habe viel über die Zitate aus dem Buch Prediger nachgedacht. Dabei bin ich meine Recherchen, Notizen und bestimmte Bücher noch einmal durchgegangen und habe mir so zehn Jahre meines Lebens ins Gedächtnis zurückgerufen.«
»Eine Rückkehr in die Vergangenheit ist immer aufschlussreich.«
»Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass es keinen religiösen Hintergrund für die Inszenierung der Morde und die Zitate aus dem Prediger gibt. Allerdings bin ich der Meinung, dass uns der erste Satz The Sun Also Rises , bei dem wir spontan an Hemingway gedacht haben, vielleicht auf die richtige Spur bringt. Die beiden späteren Zitate könnte man dann besser erklären. Wenn der Mörder schreibt: Darum verdross es mich zu leben, denn es war mir zuwider, was unter der Sonne geschieht, dass alles eitel ist und Haschen nach Wind «, und » Suchen hat seine Zeit, und Verlieren hat seine Zeit; Aufbewahren hat seine Zeit, und Wegwerfen hat seine Zeit , na ja ...«
Dalmate hielt inne, als suche er nach überzeugenden Erklärungen.
»Reden Sie weiter. Das klingt wirklich interessant.«
»In Hemingways Roman geht es um die verlorene Generation nach dem Ersten Weltkrieg. Der Mörder, der die drei Zitate aufgeschrieben hat, hat vielleicht das Gefühl, um seine Jugend oder gar sein ganzes Leben betrogen worden zu sein. Leider habe ich keine Antwort auf die Frage, warum.«
Dalmate stand auf.
»Ich fahre jetzt nach Hause.«
Mistral dachte lange über Dalmates Erklärungsversuch nach. Er schlug eines der Fotoalben auf. Eigentlich hatte er vor, jedes einzelne Bild genau unter die Lupe zu nehmen, doch eine Viertelstunde später gab er auf. Er war zu erschöpft.
Gegen drei Uhr morgens legte er sich zu Hause schlafen.
34
D IENSTAG , 26. A UGUST 2003
7.40 Uhr. Ludovic Mistral schluckte anstelle eines Frühstücks zwei Aspirin, die er mit einem großen Glas Wasser und einem ungezuckerten Kaffee hinunterspülte. Clara erinnerte ihn an den Geburtstag seiner Mutter und bat ihn, Blumen zu schicken. Ludovic bedankte sich bei seiner Frau, die scheinbar mühelos die Geburtstagsdaten beider Familien behalten konnte.
»Sollen wir mittags zusammen essen?«
»Lieber erst am Donnerstag. Wir haben zwei prall gefüllte Tage vor uns.«
»Na toll. Dann haben wir sicher anschließend richtig schön viel Zeit«, neckte Clara ihn freundlich. Ludovic lächelte nur. »Aber mal im Ernst: Ist bei diesem Fall allmählich ein Ende in Sicht?«
»Ich glaube zwar, dass wir auf dem richtigen Weg sind, sehe aber noch nicht, worauf es hinauslaufen wird. Warum fragst du?«
»Weil ich in der letzten Zeit den Eindruck habe, dass du durch mich hindurchschaust und mir nicht vertraust. Du hast ernsthafte Schlafstörungen und gesundheitliche Probleme, aber du redest nicht mit mir darüber. Stattdessen scheinst du zu glauben, dass drei Worte morgens und abends reichen. In Honfleur wurde es ein bisschen besser, aber jetzt bist du schon wieder völlig abgedriftet.«
Mistral gab Clara einen Kuss.
»Du weißt doch, wie schwer es mir fällt, von mir zu reden. Aber es wird sicher bald besser.«
9.30 Uhr. Bernard Balmes lief zu Höchstform auf und zog das morgendliche Meeting in einer halben Stunde durch. Als alle sich anschließend einen Kaffee gönnten, nahm er Mistral beiseite.
»Ich habe heute einen Bericht von der Wache des 9. Arrondissements erhalten. Ich finde die Geschichte ziemlich seltsam – es geht um einen Polizisten, der nicht auffindbar ist, und um einen unter Papier verborgenen Spiegel; ein bisschen wie in deinem Fall. Normalerweise hätte ich die Akte in eine andere Abteilung weitergegeben, aber in diesem Fall ...«
»Ein verschwundener Polizist und ein verklebter Spiegel – dem sollte man tatsächlich nachgehen. Außerdem geht es um das 9. Arrondissement – dort hat der Pakistani den Rucksack mit den Telefonen der Dimitrova gefunden.«
Auf dem Rückweg in sein Büro vibrierte das Telefon in Mistrals Tasche.
»Ich habe Sie gleich auf dem Handy angerufen, weil ich vermute, dass Sie den Ergebnissen der DNA-Analyse dieses vollgebluteten Papiertaschentuchs entgegenfiebern.«
Mistral erkannte die wenig liebenswürdige Stimme des Laborchefs.
»In der Tat, so ist es. Ich möchte wetten, es ist die gleiche DNA wie auf den Türen der ermordeten Frauen und bei diesem Legendre, und damit natürlich wie in Pontoise. Wette gewonnen?«
»Das hier ist kein Spiel! Aber Sie haben recht: Es ist die
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