Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller
des Sonntags völlig zerschlagen sein würde.
Am späten Vormittag bereitete der Mann seine Dienstkleidung vor. Nur noch heute, dann wäre die Woche Bereitschaft vorüber. Ehe er jedoch zur Arbeit fuhr, musste er noch von einer Telefonzelle aus telefonieren.
Am späten Vormittag versuchte Mistral, sich erneut in die Akten der Fälle von Pontoise einzuarbeiten, legte sie jedoch bald wieder beiseite. Es gelang ihm nicht, sich zu konzentrieren. Seine Gedanken verwirrten sich. Er schaltete die Hi-Fi-Anlage ein, deren Radioteil auf den Sender TSF Jazz programmiert war. Aus den Boxen drangen die sanften Klänge von Stairway to Heaven von Gary Moore. Innerhalb von fünf Minuten schloss Mistral, der sich halb auf der Couch in seinem Arbeitszimmer ausgestreckt hatte, die Augen und schlief ein. Kurz darauf trat Clara ins Zimmer. Als sie ihren Mann schlafen sah, beschloss sie, ihn nicht zu wecken. Sie ging in ein anderes Zimmer, um mit den Kindern zu telefonieren.
Um 13.00 Uhr erhielt die Notrufzentrale der Pariser Feuerwehr einen Anruf. Ein Mann teilte mit, dass eine seiner Bekannten, die in der Rue Monsieur-le-Prince wohnte, seit einigen Tagen kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben habe. Der junge Feuerwehrmann, der an diesem frühen Nachmittag die Telefonzentrale bediente, hielt sich genau an die Vorschriften. Er übermittelte den Anruf an die Bereitschaft, die sofort ausrückte, gab den Inhalt an die Einsatzleitung der Polizei weiter und sicherte den Mitschnitt des Telefonats.
Um Viertel vor zwei läutete Mistrals Handy. Ludovic schlief noch. Clara nahm den Anruf entgegen, doch die Einsatzleitung bestand darauf, Mistral selbst zu sprechen. Clara fragte, ob die Angelegenheit wichtig sei, denn sie hätte ihrem Mann gern noch ein wenig Schlaf gegönnt. Der Polizist von der Bereitschaft antwortete lakonisch, es handele sich um einen Mord, und Morde seien in aller Regel durchaus wichtig. Widerwillig rüttelte Clara ihren tief schlafenden Mann wach. Es fiel ihm schwer, die Augen zu öffnen, und an der Art, wie er seine Fragen stellte, bemerkte Clara, dass er noch ein wenig benommen war. Er musste sich die Einzelheiten genau notieren. Zum Schluss des Gesprächs gab er Anweisung, Calderone, das Team von Dalmate und den Erkennungsdienst an den Tatort zu beordern. Mistral verzichtete darauf, sich zu rasieren, wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser und aß einen Apfel. Clara begleitete ihn zu seinem Wagen.
»Warte nicht mit dem Abendessen«, verabschiedete er sich. »Der Fall ist ausgesprochen kompliziert.«
»In Ordnung. Aber ruf mich bitte heute Abend an. Ich möchte wissen, wie es dir geht.«
»Mir geht es wunderbar! Ich habe einen schönen Mittagsschlaf gemacht und fühle mich absolut in Form!«
Mistral spürte selbst, dass seine Stimme verärgert klang. Er lächelte, um seine Frau zu beruhigen.
»Na prima«, gab sie zurück. »Ganz wie du meinst.«
Auf dem Weg in die Rue Monsieur-le-Prince dachte Mistral, dass er Clara nicht so hätte abblitzen lassen dürfen. Sie sorgte sich um seine Gesundheit, aber er war es leid, dass alle immer wieder davon anfingen. Er nahm sich vor, sie am Abend anzurufen und so locker wie möglich mit ihr zu reden. Die Klimaanlage seines Autos lief auf vollen Touren, das Radio blieb ausgeschaltet. Er fuhr sehr schnell mit Blaulicht, Martinshorn und eingeschalteter Polizeikennung. Bereits zwanzig Minuten später hielt er hinter den Autos der Feuerwehr, der Schutzpolizei und der Kripo und traf auf die gleichen Gesichter wie schon die ganze Woche hindurch. Polizei und Feuerwehr warteten vor der gewaltsam geöffneten Tür auf Mistral.
»Sie bringen uns aber nicht gerade Glück«, frotzelte der Feuerwehrhauptmann. »Haben Sie in eine Kristallkugel geblickt, bevor Sie uns den dritten Mord ankündigten?«
»Reine Intuition. Es gibt eine alte Mordserie, die sehr viele Ähnlichkeiten mit dieser hier aufweist. Was haben Sie bisher veranlasst?«
»Noch gar nichts. Wir haben in Anwesenheit Ihrer Kollegen von der Schutzpolizei die Tür aufgebrochen, sind aber nicht in der Wohnung gewesen. Schon vom Eingang aus konnten wir die Leiche mit dem Tuch über dem Kopf sehen, genau wie bei den beiden anderen Morden. Wir wollten lieber auf Sie warten. Alles ist wie gehabt – der Geruch und die Fliegen inbegriffen. Nicht gerade einladend.«
»Perfekt. Dann warten wir jetzt auf die Spurensicherung. Wenn sie fertig ist, machen wir uns an die Arbeit. Vincent, rufen Sie doch bitte mal an, wo die Jungs
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