Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller
dass wir noch ziemliche Probleme bekommen werden .
P AUL D ALMATE
18
A M GLEICHEN T AG
Paul Dalmate hatte mindestens zum dreißigsten Mal die Aufzeichnung des Todeskampfes von Lora Dimitrova angehört, die er für sich auf MP3 überspielt hatte. Er befand sich allein im Büro. Die Stirn an die Scheibe gelehnt stand er mit verstörtem Gesicht am Fenster und fragte sich, wie lange er noch durchhalten und dem Donnerwetter ausweichen konnte, das ihn vernichten würde. Bisher hatten Mistral, Calderone und die jungen Beamten seines Teams noch nichts bemerkt. Seine distanzierte Art und seine natürliche Kühle schützten ihn. Doch er war völlig am Ende. Paul Dalmate verstand nicht, wie er in diese Situation hatte geraten können. Und er wusste nicht, ob es für ihn auch nur die geringste Chance gab, je wieder herauszukommen.
Vor ihm lagen die Anruflisten der Dimitrova, die Farias ihm in einem braunen Umschlag gebracht hatte. Dalmate versuchte sich zu fassen, ehe er sich konzentriert an die Bearbeitung der Dokumente machte.
Mistral riss die Tür zu Calderones Büro auf.
»Vincent, ich muss noch einmal in die Wohnung der Colomar. Es gibt da etwas, das ich überprüfen will. In spätestens einer Stunde bin ich zurück. Der Untersuchungsrichter weiß Bescheid, und ich versiegle die Wohnung wieder, wenn ich gehe.«
Calderone warf einen Blick auf seine Uhr und legte seinen Stift zur Seite.
»Es ist halb drei. Sollten wir nicht erst einmal einen Happen essen? Anschließend begleite ich Sie, zu zweit ist man schneller fertig.«
»Einverstanden. Gehen wir auf einen Sprung zu dem Griechen in der Rue Saint-André-des-Arts.«
»Beim Essen können Sie mir erzählen, was Sie in der Wohnung der Colomar überprüfen wollen.«
Mistral lachte.
»Ich muss mich zuerst selbst vergewissern. Wenn es das ist, was ich denke, dann erkläre ich es Ihnen – aber nicht früher. Wo ist eigentlich Dalmate?«
»Farias hat mir gesagt, er hätte ihm die Anrufliste der Dimitrova gegeben.«
»Das ist aber eigentlich keine Arbeit für einen Teamleiter, vor allem nicht, wenn viel zu tun ist.«
»Ich weiß. Aber Dalmate hat Farias gesagt, dass er sich auf diese Weise an unsere Ermittlungsarbeit gewöhnen will, was ich nicht unbedingt für eine schlechte Idee halte. Ich glaube, Dalmate will etwas gegen den negativen Eindruck tun, den er bei Ihnen hinterlassen hat.«
»Na ja, den hat er sich selbst zuzuschreiben.«
Mistral hatte hartnäckige Kopfschmerzen, fragte sich aber schon längst nicht mehr nach deren Ursache. Die beiden Männer machten einen kleinen Umweg zu einer Apotheke. Mistral kaufte eine Schachtel Aspirin mit Vitamin C und nahm sofort eine Tablette ein. Calderone sah ihm zu. Mistrals Bewegungen erschienen ihm fahrig.
»An Ihrer Stelle würde ich kein Vitamin C nehmen, sondern einmal anständig ausschlafen.«
»Mag sein. Das Problem ist, dass ich nur kurzzeitig schlafen kann, selbst wenn ich todmüde bin. Sobald wir mit diesem Fall durch sind, packe ich den Stier bei den Hörnern und tue etwas, um endlich wieder einmal richtig auszuschlafen.«
»Vorausgesetzt, wir brauchen nicht allzu lang dafür. Sonst weiß ich ehrlich gesagt nicht, wie Sie durchhalten sollen. Nicht, dass am Ende noch der Stier gewinnt.«
Mistral lächelte gezwungen.
»Haben Sie eigentlich ein Team losgeschickt, die Straße zu finden, wo der Rucksack lag, Vincent? Wissen wir inzwischen, wie das Ding genau aussah?«
»Ja, es war die Rue Moncey. Der Pakistani hat es uns erst auf der Karte und dann in natura gezeigt. Drei Leute vom Team Galtier sind unterwegs und fotografieren die Stelle. Später wollen sie die Straße und die Umgebung noch einmal genauer untersuchen.«
In dem griechischen Restaurant trafen sie auf drei Kripobeamte, die Mistral kurz begrüßte.
Nach dem Essen gingen sie zu Fuß in die Rue de Seine. Unterwegs begegneten sie Hunderten Touristen, die mit dem Stadtplan in der Hand und einem Fotoapparat um den Hals durch das Viertel schlenderten.
Im Eingangsbereich des Wohnhauses schlug den beiden Polizeibeamten der inzwischen abgeschwächte, aber dennoch deutlich erkennbare Geruch des Todes entgegen. Mistral entfernte das rot-weiße Polizeisiegel. Die Eingangstür war lediglich mit einem Keil blockiert, weil der Schlosser noch keine Zeit gefunden hatte, das Schloss zu ersetzen.
Trotz der halb geöffneten Fenster stank es in der Wohnung noch immer. Am Boden waren die Kreideumrisse von Colomars Leiche zu erkennen. Bereits auf den ersten Blick
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