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Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Titel: Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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fand Mistral seine Vermutungen bestätigt und wandte sich an Calderone.
    »Nun, Vincent, sehen Sie nichts?«
    Aufmerksam ließ Calderone den Blick durch das Wohnzimmer mit seinen Möbeln, den Masken und den Bildern an der Wand schweifen.
    »Zu viel Zeug an den Wänden, aber nein, tut mir leid, keine Ahnung.«
    Mistral ging auf eine der Wände zu, an der venezianische Masken hingen. Zwischen den Masken befand sich ein Rahmen von etwa vierzig Zentimetern Seitenlänge.
    »Das da?«
    »Ja, was ist das?«
    »Auf den ersten Blick würde ich sagen, es ist zeitgenössische Kunst. Sieht fast aus wie der Titel eines Modemagazins – so bunt und mit dem englischen Text.«
    »Könnte man meinen. Stimmt aber nicht.«
    Mistral zog sich Latexhandschuhe über und nahm den Rahmen von der Wand. Er legte ihn umgekehrt auf einen Tisch, löste die Ecken vorsichtig mit seinem Messer und drehte den Rahmen wieder um. Es war ein Spiegel.
    »Ein mit Papier verdeckter Spiegel?«
    »Unser Mörder will unbedingt vermeiden, sich selbst zu sehen. Dieses Verhalten ist häufig bei Schizophrenie. Schizophrene erkennen sich auch häufig nicht selbst im Spiegel und fragen sich manchmal stundenlang, wer sie da anschaut.«
    Verblüfft sah Calderone Mistral an.
    »Wie sind Sie darauf gekommen?«
    »Erinnern Sie sich an den Satz des Gerichtsmediziners, den Farias uns weitergegeben hat: ›Ihr Mörder scheint sich nicht leiden zu können, und er hasst das, was er tut.‹? Die Spiegelscherben in den Gesichtern der Frauen haben mich zugegebenermaßen sehr beschäftigt. Ebenso die Tatsache, dass der Mörder das Bad offensichtlich nie betritt. Er weiß, dass dort immer ein Spiegel hängt, und das ist zu viel für ihn. Eine Bestätigung für meine These fand ich in den Obduktionsberichten, und als ich mir noch mal das Filmmaterial ansah, war ich fast sicher. Nur in der Wohnung der Colomar fand sich ein mit Papier bedeckter Rahmen – womöglich ein verborgener Spiegel.«
    »Ehrlich gesagt sind mir die psychologischen Beweggründe von Mördern ein Buch mit sieben Siegeln.«
    »Eigentlich ist das auch der Normalfall. Es ist nicht Aufgabe der Polizei, sich der Lösung eines Mordfalls auf diese Art anzunähern, aber ich interessiere mich nun einmal dafür.«
    »Und worin besteht der Zusammenhang zwischen dem versteckten Spiegel und den Spiegelscherben?«
    »Der zerbrochene Spiegel ist das zerstörte Gesicht. Ein Schizophrener sieht sich im Spiegel oft nur bruchstückhaft, und das mag er nicht. Er ist innerlich zerbrochen. Die gespaltene Persönlichkeit ist Gefühlen unzugänglich, kennt keine Stimmungen und kein Einfühlungsvermögen.«
    »Was empfindet ein solcher Mensch, wenn er sich im Spiegel sieht?«
    »Er erkennt sich nicht. Wussten Sie, dass es in psychiatrischen Kliniken keine Spiegel gibt? Der Kranke würde in einen Abgrund der Ratlosigkeit stürzen und sich fragen, wer von den beiden er selbst ist.«
    »Und wie verhält sich unser Kandidat zu Hause?«
    »Falls wir ihn je zu fassen bekommen, gehe ich jede Wette ein, dass es in seiner Wohnung entweder keinen oder nur verdeckte Spiegel gibt. Den Spiegel hier bringen wir samt Papier ins Labor. Vielleicht finden sich ja Fingerabdrücke oder DNA-Spuren.«
    Die beiden Beamten kehrten zu ihrem Wagen zurück und beschlossen, auch die Wohnungen der Norman und der Dimitrova noch einmal zu untersuchen.
    Bei Élise Norman fanden sich keine verhängten Spiegel. Allerdings stellte sich heraus, dass die weit geöffneten Türen des Kleiderschranks auf der Außenseite verspiegelt waren. Calderone betrachtete die auf der Tür zurückgelassenen Markierungen des Erkennungsdienstes.
    »Er muss sich wie ein Wilder auf diesen Schrank gestürzt haben, als er die riesigen Spiegel sah!«
    »Vermutlich«, nickte Mistral. »Er hätte sie auch zertrümmern können.«
    Bei Lora Dimitrova erwies sich die Suche als erfolglos. Außer im Bad gab es in der Wohnung der jungen Journalistin keine Spiegel.
    »Wir sollten in Pontoise nachfragen, ob es an den Tatorten verhängte Spiegel gab.«
    Um Punkt 16.00 Uhr erhielt der Untersuchungsrichter Nicolas Tarnos die dicke Akte, auf deren Vorderseite in großen, schwarzen Buchstaben der Name »Jean-Pierre Brial« stand. Er dachte an die Ermittlungen in Paris, wo es drei ganz ähnliche Morde gegeben hatte. Welche Wendung wird die Untersuchung jetzt nehmen? , überlegte er, während er nachdenklich seine Brille polierte. Der Richter war sich nicht ganz sicher, ob Brial wirklich der Täter war. Da dies

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