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Die dunkle Seite des Weiß

Die dunkle Seite des Weiß

Titel: Die dunkle Seite des Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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abzuschotten. Offensichtlich war ich aus der Übung. Oder lag es daran, dass Mirella einmal mehr meine Aufmerksamkeit gefangen hielt? Was es nicht besser machte. Ich spürte ihre Anwesenheit als ständiges Prickeln auf meiner Haut.
    Manuel legte die Hände an die Schläfen und atmete mehrmals tief durch. Nur langsam ebbte die Panik im Raum wieder ab.
    Ich räusperte mich. »Geht‘s wieder? Ja? Gut. Also, ich wiederhole. Was habt ihr dann gemacht?«
    Manuel presste die Lippen zusammen. »Einer von uns kam auf die Idee, eine Scéance zu veranstalten. Mit Geistern und so. Ich war nicht scharf drauf, um ehrlich zu sein.«
    »Kann ich verstehen«, sagte ich trocken. »Ich persönlich glaube ja nicht an Gespenster. Aber das interessiert die Gespenster nicht.«
    Manuel lachte gepresst auf. »Ja, so in etwa.« Er zuckte mit den Schultern. »Zwei von uns haben die Frau vom Bett gehoben und nach oben getragen.«
    »Warum seid ihr nicht im Keller geblieben?«, warf Mirella ein.
    Wieder zuckte Manuel mit den Schultern. »Die Mädels wollten nicht. Sie meinten, das wäre eklig. Spinnen und so.«
    »Aber mit einer Leiche hatten die kein Problem?« Mirella schüttelte den Kopf. Es war auch wirklich zu absurd. Jugendliche, die sich vor Spinnen fürchteten, aber keine Bedenken hatten, eine tote Frau durch eine einsturzgefährdete Ruine zu transportieren …
    »Ich hab doch schon gesagt, wir waren alle nicht ganz nüchtern«, murmelte Manuel und pustete sich eine Strähne aus der Stirn. »Wir sind dann hoch in den ehemaligen Speisesaal, in dem haben wir vorher auch gefeiert. Dort haben wir das Mädchen in die Badewanne gelegt. Die steht da schon länger.«
    »Habt ihr euch gar nicht gefragt, wer das Mädchen sein könnte? Kam keiner von euch auf den Gedanken, vielleicht mal die Polizei zu rufen?« In Mirellas Stimme schwang nun deutliche Ungeduld mit. Sie begegnete Manuels Blick und winkte ab. »Nee, schon klar. Ihr wart nicht ganz nüchtern, verstehe schon … Und dann?«
    »Das mit der Scéance hat nicht geklappt.«
    »Ach? Welch Wunder.« Mirella trommelte mit den Fingerspitzen gegen den Türrahmen.
    »Ich denke, wir sollten berücksichtigen, dass es zwischen Himmel und Erde Dinge gibt, die wir nicht verstehen«, warf ich ein. »Nur weil etwas sich logisch nicht erklären lässt, bedeutete das nicht, dass es nicht existiert.«
    »Du musst es ja wissen.« Mirella fixierte mich mit eisigem Blick.
    Manuel sah irritiert zwischen ihr und mir hin und her. »Soll ich weiterreden, oder haben Sie erst was zu besprechen?«
    Ich schüttelte den Kopf, ohne Mirella aus den Augen zu lassen. »Nein. Alles gut.« Dann nickte ich Manuel aufmunternd zu. »Also, wie ging es weiter?«
    Manuel zog die Brauen zusammen. »Gar nicht. Keine Geister. Ich habe den anderen aus dem Tagebuch vorgelesen, das wir bei der Frau gefunden haben, aber die fanden das langweilig. Und außerdem fing es schon an zu dämmern. Wir sind dann nach Hause, bevor es hell wurde.«
    »Ihr habt die Leiche einfach so in der Badewanne liegenlassen?«
    »Ja klar. Was hätten Sie denn gemacht? Eine feierliche Beisetzung im Morgengrauen?«
    Anscheinend half sein Zynismus Manuel über die Schrecken des Leichenfundes hinweg. Doch ich wusste jetzt, dass es Risse in seiner Fassade gab. Und diese Risse reichten tief.
    »Okay«, sagte Mirella und stieß sich locker von der Wand ab. »Der Rest ist uns bekannt. Der Mann von der Tageswache hat die Leiche in der Badewanne gefunden und die Polizei verständigt. Und die hat dann uns eingeschaltet. Das wäre es dann wohl. Oder gibt es noch irgendwas, das du uns erzählen möchtest?«
    Manuel schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe alles gesagt.«
    »Dann brauchen wir jetzt noch die Namen der anderen, die mit am Fundort waren.«
    »Die wissen auch nicht mehr, das können Sie mir glauben.«
    Mirella hob die Brauen. »Ist mir egal. Wir müssen jeden befragen, der mit der Sache zu tun hatte.«
    »Vergessen Sie es«, murmelte Manuel. »Es reicht, wenn ich da mit drin hänge.«
    »Du hast ausgesagt, dass ihr zu mehreren wart.«
    »Dann ziehe ich diese Aussage jetzt eben wieder zurück. Alles Quatsch, ok? Ich war alleine. Ich habe sie hoch geschleppt, ihr Tagebuch gelesen und mir eine hübsch schaurige Nacht in den Ruinen gemacht. Punkt.«
    Mirella schnaubte und wandte sich zur Tür. »Alles klar. Dann kommst du jetzt mit.«
    »Wohin?« Manuel klang alarmiert.
    »Zu den Heilstätten natürlich. Wenn du alleine warst, bist du der Einzige, der uns zeigen

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