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Die dunkle Seite des Weiß

Die dunkle Seite des Weiß

Titel: Die dunkle Seite des Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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wir schon bei Richard Wilms gerade nicht weiterkamen, dann sollte ich die Zeit nutzen und diesen Doktor Ewald genauer unter die Lupe nehmen. Im Archiv wartete ein Haufen Akten auf mich. Nicht zuletzt die Überprüfung von Quecksilbervergiftungen in der Nähe der Beelitzer Heilstätten. Die Arbeit würde mich von Mirella ablenken und dafür sorgen, dass sich nicht alle paar Sekunden ein messerscharfer Schmerz in mein Herz bohrte. Und selbst für den Fall, dass Clara von Rieckhofen nirgendwo in den Akten auftauchte – über einen in Beelitz tätigen Arzt war doch mit Sicherheit etwas zu finden. Und vielleicht auch über seine Methoden.

Kapitel 8
    Fast unmerklich klickte das Türschloss hinter mir. Merkwürdig, nach so langer Zeit einfach wieder in die Akademie spazieren zu können, wann immer man wollte. Und wohin auch immer man wollte.
    Selbst nachts um eins ins Archiv.
    Dunkel lagen die langen Gänge vor mir. Die Sohlen meiner Schuhe hinterließen ein leises Quietschen auf dem spiegelnden Linoleum und durchsetzten die Stille mit Leben.
    Mein Herz begann aus dem Nichts heraus schneller zu schlagen und ließ sich nur mit Mühe wieder beruhigen. Was war los mit mir? Es war nur die Akademie. Der Ort, den ich geliebt hatte, der so viele Jahre meines Lebens wie ein Zuhause für mich gewesen war. Und doch. Zum ersten Mal fühlte ich mich beklommen und die Luft erschien mir merkwürdig steril. Ein lästiger Bazillus, das bist du … Ich verlangsamte meine Schritte und blieb schließlich stehen. War das gerade eine Stimme gewesen?
    Ich drehte mich um, doch die Flure waren vollkommen verlassen. Ich schluckte schwer. Meine Einbildung begann mir Streiche zu spielen. Lästiger Bazillus … So hatte ich mich gefühlt, als man mich von einem auf den anderen Tag vor die Tür gesetzt hatte. Doch noch heute war ich mir unsicher, ob ich nicht überreagierte.
    Mehr als ein Jahrzehnt hatte ich die Akademie als das begriffen, was sie auch in der Öffentlichkeit repräsentierte: einen Ort der Sonderbegabten, einen Schutzraum, ein Biotop für Entfaltung und Selbstverwirklichung. Die Akademie lag mitten in Berlin und stand Tag und Nacht offen. Kein Außenstehender ahnte etwas von den geheimen Sicherheitsvorrichtungen. Und bisher hatten wir sie auch nie gebraucht. Es gehörte zu den absurden Tatsachen des Lebens, dass die Akademie bisher von Einbrüchen, Vandalismus oder sonstigen Problemen verschont geblieben war. Vielleicht weil sich trotz der offenen Wirkung kaum jemand in das Gebäude wagte. Den meisten Außenstehenden war die Akademie auf unbewusste Art unheimlich. Und langsam verstand ich warum. Wir alle waren Marionetten, aufgehängt an unsichtbaren Fäden, die sich im Zweifelsfall blitzschnell um den Hals wickelten und zusammenzogen. Doch das zeigte sich nur im zwielichtigen Dämmern von Zweifel und Misstrauen. Ein Misstrauen, das mir niemand zugestand. Wie konnte man zweifeln an einer so renommierten Institution wie der Akademie? Wie konnte man argwöhnen, dass sich hinter der glatten Fassade ein undurchsichtiges Netz aus Intrigen ausbreitete und mit jedem Atemzug neue Verknüpfungen fand?
    Ein merkwürdiger Druck legte sich auf meine Brust, während ich mich wieder in Bewegung setzte.
    Mit diesen Zweifeln war ich immer allein gewesen.
    Mirella glaubte mir nicht.
    Simon glaubte mir nicht.
    Hades interessierte sich für anderes.
    Und doch hatte man mich zurückgeholt. Für diesen einen Fall. Obwohl auf meine Loyalität nicht mehr zu setzen war. Warum hatten sie das getan? Wer hatte das entschieden? Wieder einmal fragte ich mich, wer die höchsten Instanzen dieses gewaltigen Apparates sein mochten. Mein Chef war Simon. Doch bereits die Ebene darüber lag im Dunkeln. Wem war eigentlich Simon verpflichtet?
    Grübelnd durchquerte ich den Vorraum zum Archiv und passierte den großen Empfangstresen, an dem ich kürzlich erst mit Katherine gesprochen hatte. Alles lag verlassen im Dunkel.
    Ich näherte mich der gewaltigen Tür, hinter der das Archiv lag. Der massive Stahl glänzte im Mondlicht. Ich verlangsamte meine Schritte und blieb schließlich stehen. Mein Blick wanderte über den in die Tür eingravierten Schriftzug. »Ad fontes«. Zu den Quellen. Ich hatte keine Ahnung, ob die Römer ursprünglich reale Quellen damit gemeint hatten, Bäche, Fontänen. Wahrscheinlich. Aber der Satz passte perfekt zu unserem Archiv. Denn hier fand sich die Quelle zu allem. Man musste nur lange genug suchen. Oder Katherine kennen.
    Ich atmete tief

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