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Die dunkle Seite des Weiß

Die dunkle Seite des Weiß

Titel: Die dunkle Seite des Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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Langsam schüttelte sie den Kopf. »Menschenversuche, ja? Ist es das, worum es geht?« Ganz plötzlich entlud sich die Spannung. Mirella schlug Ernesto so heftig mit der Faust gegen die Brust, dass er zurücktaumelte. »Was für ein Monster bist du?!« Ihr Schrei gellte durch den Raum und erschütterte mich bis ins Mark.
    Ernesto starrte sie fassungslos an.
    Doch Mirella hatte sich schon wieder gefangen. »Ich finde es heraus, verlass dich drauf. Wenn du da mit drin hängst, dann Gnade dir Gott.«
    Sie drehte sich um und verließ die Wohnung. Und das leise, fast unmerkliche Schließen der Tür wirkte bedrohlicher, als wenn sie die Tür mit aller Kraft hinter sich zugeworfen hätte.
    Draußen sah ich Mirella nicht sofort. Erst als ich suchend die Straße entlang blickte, entdeckte ich sie. Sie lehnte einige Meter entfernt an einem Baumstamm und wurde fast vollkommen verschluckt von den Schatten der Nacht.
    Oliver musterte mich. Er hatte während der ganzen Szene in Ernestos Wohnung keinen Ton von sich gegeben. Er war nur dagewesen. Und das war viel.
    »Ich gehe dann mal«, sagte er mit gedämpfter Stimme. »Ihr kommt zurecht?«
    Ich lächelte matt. »Klar. Ich denke schon.«
    »Gut«, sagte er leise. »Melde dich, ja?«
    »Natürlich.«
    Mein Blick glitt zu Katherine hinüber, die ein wenig abseits stand. Sie biss sich auf die Unterlippe, dann holte sie tief Luft. »Ich habe mir eine Kopie des Dokuments ausgedruckt und übersetze den Brief, sobald ich zuhause bin. Die Übersetzung schicke ich dir später aufs Handy.«
    Ein knappes Nicken zum Abschied und noch bevor ich mich bedanken konnte, verschwand sie gemeinsam mit Oliver in Richtung Hauptstraße. Sie würden ein Taxi nehmen. So spät in der Nacht fuhr auch in Berlin kein öffentliches Verkehrsmittel mehr.
    Ich sah, wie die Beiden sich im Schein der Straßenlaternen entfernten und schließlich um eine Ecke bogen. Zurück blieben Mirella und ich.
    Einen Augenblick stand ich unschlüssig auf dem Gehweg. Was sollte ich tun? Zu Mirella gehen? Hier bleiben und abwarten? Nach Hause fahren?
    Uns trennte mehr als nur einige Meter Kopfsteinpflaster. Und noch nie war es mir so schwer gefallen, Mirella einzuschätzen. Vielleicht war es besser, sie jetzt alleine zu lassen. Doch irgendetwas in mir wollte das nicht.
    »Schön, dass du da bist«, hörte ich in diesem Augenblick Mirellas Stimme aus dem Schatten.
    Ich schluckte und versuchte ein Lächeln, während ich langsam zu ihr hinüber schlenderte. »Ich war nicht sicher, ob du mich hier haben möchtest.«
    Sie lachte leise und es klang wie eine Mischung aus Verzweiflung und Resignation. »Das sagst ausgerechnet du. Du bist es doch, der mich zum Teufel wünschen müsste.«
    Ich war inzwischen so nah bei ihr, dass ich das Glitzern ihrer Augen in der Dunkelheit sah. Und ihre Nähe spürte.
    »Ich habe dir damals nicht geglaubt«, sagte sie leise. »Und jetzt weiß ich noch weniger, was ich glauben soll und was nicht. Es kommt mir vor wie ein absurdes Déjà-vu. Einem Menschen, an dem mir etwas liegt, wird Unfassbares vorgeworfen. Und ich habe die Wahl, ob ich den Fakten Glauben schenke oder mich auf mich selbst verlasse.«
    »Dabei kann ich dir nicht helfen«, erwiderte ich mit belegter Stimme. »Du musst wissen, wem du traust und wem nicht.«
    »Das ist es ja«, sagte Mirella tonlos. »Ich vertraue mir selbst nicht mehr. Wie könnte ich jemand anderem trauen, wenn ich selbst nicht mehr weiß, was mit mir geschieht …« Ihre Stimme brach ab und sie senkte den Blick.
    Ich atmete tief durch. »Die Medikamente versagen, oder?«
    Mirella schwieg einen Moment. Dann nickte sie. »Ja. Schon eine ganze Weile. Aber es war nie so schlimm wie diese Nacht. Ich dachte, es würde schon gehen, es wäre einfach nur eine Phase.«
    Sie schlug die Hände vors Gesicht. »Mein Gott, um ein Haar hätte ich Oliver und dich erschossen. Einfach so.«
    »Nein, nicht einfach so«, entgegnete ich ruhig, auch wenn mir das Herz bis zum Hals schlug. »Du hast das getan, was die Akademie uns eingeimpft hat. Du bist in deiner Funktion als Akademiemitarbeiterin hervorragend.«
    »Ja, offensichtlich so hervorragend, dass man mich demnächst als eiskalte Killermaschine auf die Leute loslassen kann.«
    Ich sah, wie ein Zittern durch ihren Körper lief.
    »Kannst du mit jemandem darüber reden?«
    Sie lächelte matt. »Ich rede mit dir. Oder bilde ich mir das auch ein? Sag dass du kein Hirngespinst bist.«
    Ich betrachtete sie und wusste, dass keine Erklärung

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