Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
gehört.«
Balke legte mir ein gut gelungenes Phantombild des Autoknackers vor. Der Mann hatte ein markiges Gesicht und eng beieinanderliegende Augen. Dazu lange Koteletten und beneidenswert lockiges Haar.
»Wenn wir den Typ haben, dann haben wir die Bande«, meinte Balke. »Die Zeugin ist im Moment noch unten. Evalina zeigt ihr unsere Porträtsammlung. Vielleicht haben wir ja ausnahmsweise mal Glück in der Sache.«
Oberkommissarin Evalina Krauss teilte mit Balke das Büro und seit fast einem Jahr auch das Bett. Seither war er, der früher die Freundinnen schneller gewechselt hatte als manch anderer die Hemden, sehr viel ruhiger geworden. Und morgens viel ausgeschlafener.
Auf meinem Schreibtisch hatte sich in den Tagen, die ich gefehlt hatte, natürlich einiges angesammelt. Viel Unwichtiges zum Glück, manches, das sich delegieren ließ, aber leider auch Dinge, die nur ich selbst erledigen konnte. Sönnchen brachte mir zum Trost und vielleicht auch als Versöhnungsgeste eine große Tasse Fencheltee, erklärte kategorisch, Kaffee sei nichts für mich, setzte sich unaufgefordert mir gegenüber auf einen der blauen Besucherstühle.
»Geht’s Ihnen wirklich wieder gut?«, fragte sie voller Besorgnis.
»Ich fühle mich, als wäre ich nicht drei Tage krank gewesen, sondern zwei Wochen in Urlaub«, behauptete ich und schlürfte tapfer den Tee, obwohl ich Fencheltee nicht ausstehen konnte.
»Sie sehen aber nicht so aus.«
»Muss nur erst wieder meinen Kreislauf in Schwung bringen. Ein Kaffee würde bestimmt dabei helfen.«
Sie überhörte meinen letzten Satz und berichtete im Telegrammstil von den Ereignissen der vergangenen Tage. Ich hörte zu und nippte nebenbei weiter an dem grauenhaft schmeckenden Aufguss, der angeblich gegen alles half. Erfreulich ruhig war es gewesen in Heidelberg. Als hätten die Verbrecher geahnt, dass der Kripochef außer Gefecht war.
»Wie läuft’s mit Ihrem Christian?«, fragte ich, als ihr Bericht zu Ende war.
Wie immer, wenn die Sprache auf ihre neue Liebe kam, errötete sie bis an die Haarwurzeln.
»Ach, Herr Gerlach …«, seufzte sie und schlug die Augen nieder.
»Also gut?«
Sie nickte verschämt.
»Ich freue mich für Sie, Sönnchen. Es ist schön, Sie glücklich zu sehen.«
»Danke«, hauchte sie. »Vielleicht wohnt dieser Herr Hergarden ja in einem Hotel?«
Aha. Sie konnte es also doch nicht lassen.
»Gut möglich.« Ich stellte meinen Becher ab. »Offiziell gemeldet ist er jedenfalls nicht. Nur in Mannheim wohnt ein Mann mit diesem Namen. Ich habe angerufen, aber da nimmt niemand ab.«
»Soll ich mich mal dahinterklemmen?«
»Das wäre lieb von Ihnen.« Ich lehnte mich zurück und schloss für einen winzigen Moment die Augen. Was ich nicht hätte tun sollen.
»Sie haben Kopfweh!«, erkannte meine hellsichtige Sekretärin sofort.
»Überhaupt nicht.«
»Sie haben Kopfweh. Ich seh’s Ihnen an.«
»Frau Walldorf!«
»Sie fahren jetzt heim und legen sich wieder ins Bett, wo Sie hingehören!«
Jetzt hatte ich genug: »Ich fahre heim, wenn’s mir passt. So. Ende der Durchsage.«
Sie hatte schon wieder den finsteren Blick von vorhin. Am Ende sah sie jedoch ein, dass sie am kürzeren Hebel saß.
»Sie glauben also, da ist doch was dran an der Geschichte?«, fragte sie und sah woandershin. »Dass er seine Frau umgebracht hat?«
»Laut Aktenlage kann er sie überhaupt nicht umgebracht haben. Aber irgendwas stimmt da nicht. Einer von den beiden Kripobeamten, die den Fall damals untersucht haben, hat sich ein halbes Jahr später einen Ferrari gekauft. Der andere hat den Dienst quittiert und es anscheinend nicht mehr nötig zu arbeiten …«
Die Sache mit dem Peilsender behielt ich lieber für mich, um weiteren Komplikationen aus dem Weg zu gehen.
»Und was machen wir jetzt?«
»Am besten, Sie finden für mich diesen Herrn Hergarden, und ich trinke solange Tee.«
»Sollen wir nicht machen, was die Polizei in solchen Fällen normalerweise macht?«
»Was tun wir denn normalerweise in solchen Fällen, Miss Marple?«
»Wir machen ein Phantombild. Sie haben ihn gesehen, ich hab ihn gesehen …«
»Und dann schreibe ich ihn zur Fahndung aus und mache mich vor der halben Welt zur Lachnummer. Haha.«
»Es gibt andere Möglichkeiten.«
»Frau Walldorf, ich weiß, dass Sie mit jedem zweiten Heidelberger per Du sind. Aber der Rest, den Sie nicht kennen, das sind immer noch ziemlich viele, und außerdem …«
»Das lassen Sie ruhig meine Sorge sein.«
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