Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
gelang ihr doch nicht ganz, ein Lächeln zu unterdrücken.
12
»Der Fred, ach ja, der war schon ’ne Marke«, sagte Stephan Weilandt.
Wir spazierten durch den asiatischen Garten des Münzesheimer Therapiezentrums, der heute nur spärlich besucht war. Auf den letzten Kilometern hatte der Regen überraschend aufgehört. Die feuchten Wolken über uns hatten es plötzlich eilig, sich zu verziehen, und hie und da blinzelte schon wieder ein wenig trübe Sonne durch die Ritzen des steingrauen Himmels. Theresa hatte sich sofort in die Cafeteria der weitläufigen Anlage zurückgezogen und sich einen doppelten Cognac sowie einen dreifachen Espresso bestellt. Cognac hatte man allerdings nicht im Angebot.
Der Mann, den ich so dringend hatte sprechen wollen, war untersetzt, beäugte die Welt mit treuherzigem Hundeblick und trug einen beeindruckenden Kugelbauch vor sich her. Erst nachdem wir einige Sätze gewechselt hatten, wurde mir klar, dass der alte Journalist keineswegs so harmlos und gemütlich war, wie er bei flüchtigem Hinsehen wirkte.
»Fred war für die ARD in Bagdad. Ich war solo und habe nach Storys Ausschau gehalten, die sich zu Geld machen ließen. Fred und seine Leute wollten immer an die Front. Ich war mehr auf Hintergrundgeschichten aus, für die leichte Presse. Hübsche Mädchen, die kleine Kätzchen retten, schöne Mütter, die ihre gefallenen Söhne beweinen, solches Zeugs. Das andere war mir viel zu gefährlich. Ich war nie ein Held und wollte auch keiner werden. Heldenmut ist in meinen Augen nichts weiter als eine besonders dumme Form von Phantasielosigkeit.«
»Hergarden hat das Risiko nicht gescheut?«
»Im Gegenteil. Der wollte die harten Geschichten. Am liebsten pfeifende Kugeln im O-Ton. Er war auch der Einzige, der fast immer mit einer Waffe am Gürtel herumgelaufen ist. Sie waren immer mal wieder für ein paar Tage weg und haben irgendwo gedreht, und dann haben sie wieder wochenlang in diesem verfluchten Hotel Palestine gehockt und gewartet, dass irgendwo irgendwas passiert. Abends haben wir gesoffen und manchmal gepokert und wieder gesoffen und …«
»Hin und wieder bestimmt auch geredet.«
»Das auch, natürlich. Aber ich wollte etwas anderes sagen. Wir waren Männer. Wir waren solo, Sie verstehen, was ich meine. Die schärfsten Huren finden Sie ja komischerweise in den muslimischen Städten.«
»Ich dachte, Sie sind …«
Er kicherte albern. »Ich kann schon auch mit Mädchen was anfangen, keine Sorge. Denen da unten steckt Tausendundeine Nacht immer noch im Blut. Und in der Bar vom Palestine – ich will’s mal so ausdrücken: Das islamische Verhüllungsgebot für Frauen hat da definitiv nicht gegolten. Da war so eine Rothaarige. Ich kann Ihnen sagen …«
»Hergarden war verheiratet.«
»Und hat seine Frau … wie hat sie noch geheißen?«
»Viktoria.«
»Vicky, richtig. Alle vier Wochen hat er sie für zwei, drei Tage gesehen. Aber sagen Sie erst mal: Weshalb fragen Sie mich überhaupt nach diesen uralten Sachen?«
Wieder einmal erzählte ich meine Geschichte.
»Vicky …?« Weilandt sah mich in einer Mischung aus Amüsement und ungläubigem Schrecken an. »Umgebracht? Fred?«
»Sie glauben es nicht?«
Er wandte den Blick ab. Schnaufte. Einige Schritte gingen wir schweigend. Eine geschwungene, knallrot lackierte Holzbrücke kam in Sicht. Rechts ein Pavillon in einem kleinen See, der aus Japan importiert zu sein schien.
»Wer weiß schon, wozu Menschen fähig sind?«, sagte der alte Journalist schließlich wie zu sich selbst. »Fred ist schon ein verrückter Hund gewesen. Ein Abenteurer. Und er konnte ganz schön zornig werden, wenn etwas nicht nach seinem Kopf ging.«
Das konnte ich bestätigen.
»Hergarden soll damals Anfang November in der Nähe von Basra unterwegs gewesen sein.«
»Das mag schon sein.«
Ein altes, weißhaariges Ehepaar kam uns eng umschlungen entgegen. Die Frau war kräftig und schien ihren ausgemergelten Mann stützen zu müssen. Sie sprach leise und tröstend auf ihn ein. Er nickte hin und wieder mit abwesender Miene und leerem Blick.
»Sie erinnern sich nicht?«
»Ich sagte doch, die waren immer wieder mal an der Front unterwegs. Irgendwo, wo’s kracht und brennt und man aufregendes Material schießen kann. Material, das die Leute in den Nachrichten sehen wollen.«
»Hergarden war damals für mehrere Tage verschwunden, während der Rest des Teams schon wieder in Bagdad war.«
»Ach, diese Geschichte. Jetzt entsinne ich mich,
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