Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
Landschaften. Wüsten, Steppen, Flussniederungen mit tiefem Horizont. Erst nach einer Weile entdeckte ich die immer wieder gleiche schwungvolle Signatur: »SteWe«. Stephan Weilandt.
Marquard erschien mit zwei großen, dampfenden Tassen. Der Kaffee duftete ungewöhnlich gut. Wir nahmen Platz auf zwei geschnitzten Stühlen, die aussahen wie aus einem Kloster entwendet.
»Nun?«, sagte er und sah mir offen, wenn auch nicht freundlich ins Gesicht.
Ich erzählte ihm von Fred und Viktoria Hergarden. »Ihr Partner war zum Zeitpunkt ihres Todes zusammen mit dem Ehemann in Bagdad.«
»Damals waren wir noch nicht zusammen. Aber ich weiß natürlich, dass Steph früher viel unterwegs war. Er hat die halbe Welt gesehen und allerhand Abenteuer überlebt. Ich habe die Jahreszahlen nicht im Kopf. Aber Bagdad, das sagt mir etwas, ja.«
»Seit Neuestem besteht nun der Verdacht, dass der Ehemann der Mörder der Frau sein könnte. Und deshalb würde ich gerne mit Herrn Weilandt reden.«
Marquard sah mir stumm ins Gesicht, als wartete er auf die Fortsetzung.
»Ich habe Sie gestern so verstanden, dass Ihr Lebensgefährte in der Vergangenheit ein wenig Ärger mit der Polizei gehabt hat …«
»Ein wenig Ärger?« Seine Miene wurde noch eine Spur distanzierter. »Es war die totale Katastrophe. Stephan – er ist …« Marquard schluckte und senkte den Blick. »Steph ist drogenabhängig. Kokain. Hat er sich im fernen Osten angewöhnt. Inzwischen ist er aber clean. So gut wie clean. Deshalb ist er auch nicht hier. Er macht zurzeit eine Therapie. Nicht die erste, leider. Und dieser Unfall … Er war auf der Landstraße nach Neudenau unterwegs. Muss am Steuer eingeschlafen sein. Es gab zwei Tote. Und er hatte schon damals keinen Führerschein mehr.«
»Wo macht er die Therapie?«
»Nicht weit von hier. In Münzesheim, im Kraichgau.«
Ich bat ihn, dort anzurufen, weil ich keine Lust hatte, begleitet von einer schlecht gelaunten Theresa sinnlos durch die Gegend zu kutschieren.
Mein Gastgeber zögerte, erhob sich schließlich, um sein Handy zu holen. Das Handy war weiß, und die Rückseite zierte ein angebissenes Äpfelchen. Das Telefonat dauerte nur wenige Sekunden.
»Er wird mit Ihnen reden«, sagte er, als er sein iPhone achtlos auf den Tisch warf. »Heute Nachmittag, vierzehn Uhr. Im Moment haben sie irgendeine Maßnahme. Sie malen Aquarelle. Und um zwölf gibt es Essen.«
»Er malt sehr gut, habe ich gesehen.«
Jörg Marquard sah mich mit bitterer Miene an. In seinem Gesicht zuckten Muskeln. Schließlich traten Tränen in seine Augen. Ich trank meinen Kaffee aus, erhob mich, er nach kurzem Zögern ebenfalls. An der Haustür schüttelten wir stumm und fest Hände. In der Ferne schlug eine Kirchturmuhr zwei Mal. Halb zwölf. Immer noch schien die Sonne.
»Du bist sicher, dass es hier nach Münzesheim geht?« Theresa hatte entdeckt, dass ihr Hightechhandy, das sie erst seit wenigen Wochen besaß, auch als Navi zu gebrauchen war. Nun war sie irritiert, weil ich kurz vor dem Ortsende von Kirchhardt rechts abbog. »Mein Telefon möchte geradeaus in Richtung Eppingen.«
»Dein Telefon kann gerne über Eppingen fahren«, erwiderte ich gereizt. »Ich persönlich fahre lieber über kleine Straßen, weil ich das schöner finde. Und nach Münzesheim finde ich immer noch ohne Computer.«
In Bad Wimpfen hatten wir einen eiligen Spaziergang im Nieselregen gemacht, den blauen Turm umrundet, den Ruinen der Stauferpfalz einen Blitzbesuch abgestattet und anschließend bei einem Italiener, den zum Glück die übellaunige Blonde an meiner Seite ausgewählt hatte, klebrige Nudeln gegessen. Dabei hatte ich entdeckt, dass Theresa nicht nur gut Französisch und Englisch sprach, sondern auch noch so viel Italienisch, um mit dem sizilianischen Koch einen lautstarken und sehr authentisch klingenden Streit über die richtige Zubereitung von Spaghetti arrabiata vom Zaun zu brechen.
Die Sonne hatte für diesen Tag endgültig den Dienst quittiert, und der Regen schien sich auf Dauer eingerichtet zu haben.
Die nächsten Kilometer spielten wir das in Paarbeziehungen so beliebte Spiel »Wer als Erster den Mund aufmacht, hat verloren«, gondelten schmale und kurvige Landstraßen entlang, durchquerten Dörfer, deren Namen ich noch nie gehört hatte, und ich behielt den Rückspiegel im Auge. Die Nebenstrecken hatte ich nicht gewählt, weil ich sie schöner fand, sondern um eventuelle Verfolger zu irritieren und aus der Reserve zu locken.
Hin und wieder
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