Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
meinte ich, einen Wagen zu entdecken, den ich am Vormittag schon einmal gesehen hatte. Aber nie war ich mir wirklich sicher, und immer war er zu weit entfernt, als dass ich wenigstens den Typ hätte bestimmen können. Als wir Odenheim erreichten, öffnete Theresa endlich den verkniffenen Mund und erklärte frostig, sie müsse mal. Klein. Und zwar sofort.
»Wir sind in zehn Minuten da.«
»In zehn Minuten ist es zu spät.«
Vermutlich verspürte sie ihr dringendes Bedürfnis schon seit geraumer Zeit, war jedoch zu stolz gewesen, es zuzugeben.
»Hast du gewusst, dass hier ganz in der Nähe Hagen von Tronje den tapferen Helden Siegfried gemeuchelt hat? Im Nibelungenlied heißt das Dorf zwar Odenhain und liegt im Odenwald …«
»Dein tapferer Held ist mir schnurz, und außerdem werde ich in Kürze deine Polster durchnässen. Aber es ist schließlich dein Wagen …«
»Ich halte, sobald ich kann.«
Mitten im Ort bog ich links ab, und bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit, als keine Häuser mehr in Sicht waren, fuhr ich an den Straßenrand und zog die Handbremse. Theresa verschwand hinter einem vor Nässe tropfenden Busch. Als sie Sekunden später wieder auftauchte, war ihr Blazer feucht, die Frisur hinüber und ihre Laune am absoluten Nullpunkt.
»So, jetzt kommt die geheimnisvolle Dose zum Einsatz«, erklärte ich betont heiter. Ihr Schnauben klang ungefähr so freundlich wie das von Siegfrieds Lindwurm. Aber immerhin, sie griff nach hinten, angelte die Keksdose vom Rücksitz, überreichte sie mir, ohne den Blick von der kurvigen Straße zu wenden. Ich nahm im Fahren den Deckel ab, warf den Peilsender hinein, drückte den Deckel wieder auf, legte Theresa die Dose in den Schoß.
»Mit deinem neuen Superhandy kannst du doch bestimmt auch Filme drehen.«
»Selbstverständlich. Wenn ich wüsste, wie.«
»Würdest du es mir kurz ausleihen?«
»Was willst du denn filmen in dieser trostlosen Einöde?«
Inzwischen fuhren wir wieder durch Wald. Ein Wanderparkplatz kam in Sicht, ich bremste, setzte zurück, sodass der Wagen halb unter Bäumen stand und von der Straße aus nicht gleich zu sehen war, stellte den Motor ab.
»Das Ding in der Dose ist ein Peilsender, den mir jemand ans Auto geklebt hat«, erklärte ich, während ich mich hastig durch die Menüs des Handys tippte.
»Heißt das, wir werden …?«
»Wir werden möglicherweise verfolgt, ja.«
Sie starrte mich für zwei Sekunden sprachlos an, dann half sie mir eilig, den Videomodus zu finden und zu aktivieren. Ich hielt das Handy so, dass die Linse knapp über das Lenkrad hinwegsah.
»Und was wird das nun?«, wollte Theresa hörbar unentspannt wissen.
»Erkläre ich dir gleich.«
Und dann warteten wir.
Eine Krähe tapste auf der Straße herum und suchte nach Essbarem. Schwere Regentropfen zerplatzten auf der Motorhaube meines Wagens. Schwaden von Nässe trieben über die Wiesen. Ein Wetter, um den Gashahn aufzudrehen. Nach einer kleinen Ewigkeit und einigen theatralischen Seufzern vom Beifahrersitz tauchte aus Richtung Odenheim ein weißer Lieferwagen auf, der merkwürdige Klappergeräusche machte und eine bläuliche Wolke hinter sich her zog. Ihm folgte ein feuerrotes Mercedes Cabrio, dessen Fahrer keine Eile zu haben schien. Und dahinter ein dunkler Volvo Kombi, der das klappernde Verkehrshindernis offensichtlich unbedingt überholen wollte, jedoch wegen der vielen Kurven und gelegentlichen Gegenverkehrs nicht konnte. Dann kam lange nichts mehr.
»Und?«, fragte Theresa, als ich ihr das Handy zurückgab und den Motor wieder anließ. »Zufrieden?«
»Ich weiß noch nicht.«
»Mir ist kalt, Alexander. Meine Haare sind nass. Mein Blazer ist nass. Meine Schuhe sind nass. Ich werde mir den Tod holen, wenn ich nicht sofort einen starken Kaffee kriege!«
»Kannst du mir das Video per Mail schicken, wenn wir wieder in Heidelberg sind?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil ich nicht weiß, wie man es aus dem dämlichen Ding herausbekommt, darum. Und weil du mir allmählich tierisch auf den Geist gehst mit deiner Geheimniskrämerei. Wer verfolgt uns denn nun? Der weiße Lieferwagen oder der rote Mercedes?«
»In fünf Minuten sind wir am Ziel, und dann kriegst du deinen Kaffee, und später, auf der Rückfahrt, werde ich dir alles haarklein erklären, versprochen.«
»Ich bin gespannt wie ein Regenwurm.«
»Diesen dämlichen Spruch habe ich seit mindestens einem Vierteljahrhundert nicht mehr gehört.«
Sie gab sich redlich Mühe, aber es
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