Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
werde. Mein Mitarbeiter hatte alles protokolliert und von den beiden Beteiligten unterschreiben lassen, bevor er wieder zurück nach Heidelberg gefahren war. Im Grunde eine Szene für die so genannten Realityshows, mit denen das Privatfernsehen kostengünstig die Nachmittage füllte und von denen manche Menschen offenbar nicht genug bekommen konnten. Vielleicht, weil sie dabei andere Menschen beobachten konnten, denen es noch dreckiger ging als ihnen selbst. Fernsehserie – das war das Stichwort, das mich zum Telefon greifen ließ.
»HaBeFilms, mein Name ist Ansgar Schön, was darf ich für Sie tun?«, flötete dieselbe Jungmännerstimme, mit der ich bereits in der vergangenen Woche gesprochen hatte.
»Es geht noch mal um die ›Lindenstraße‹. Wir hatten wegen Viktoria Hergarden telefoniert.«
»Sie sind der Kripomensch, richtig?«
»Meine heutige Frage lautet: Bei Ihnen hatte sich damals auch noch eine andere Person beworben. Marcel Graf.«
»Der Marcel Graf, an den ich jetzt denke?«
»Ja. Als Regisseur. Mich interessiert, ob er an einem bestimmten Tag einen Besprechungstermin bei der HaBeFilms hatte.«
»Etwa auch 1985?«
»Ich weiß, es ist eine verrückte Idee. Aber es passieren ja auch manchmal die verrücktesten Dinge.«
»Aber sooo verrückt …?«
»Es gibt doch bestimmt Personen bei Ihnen, die schon länger dabei ist?«
»Der Älteste im Team ist Jörg. Er war damals … lassen Sie mich rechnen … er dürfte damals elf gewesen sein. Eventuell auch schon zwölf.«
»Ausgeschiedene Mitarbeiter, zu denen Sie noch Kontakt haben?«
»Das könnte schon eher … Momentchen mal kurz. Hm, hm, hm. Es ist vielleicht eine schräge Idee, aber wir lieben hier ja schräge Ideen …«
Ich lauschte einer leisen und unverständlichen Unterhaltung. Vermutlich hielt der dynamische junge Mann die Hand vors Mikrofon.
»Hansi«, sagte er dann mit wieder klarer Stimme. »Hansi hat den Laden in den Siebzigern gegründet und gegen alle Tücken der Branche und Widerstände der Banken groß gemacht. Seit er die Firma vor acht Jahren vertickt hat, lebt er in seiner Finca auf Malle. Ich habe hier eine Handynummer. Hansi Bertram.«
Auch der ehemalige Firmeninhaber schien verrückte Ideen zu mögen. Vor den Fenstern meines Büros schien es ein wenig heller zu werden.
»Marcel Graf?«, wiederholte Bertram mit sonorem Bass. »Nein, beim besten Willen nicht. Aber ›Lindenstraße‹, Heidelberg, da klingelt irgendwas …«
Im Hintergrund zwitscherten Vögel. Wasser gluckste. Vermutlich stand mein Gesprächspartner in Shorts und Poloshirt am Rand seines bläulich schimmernden Pools und hielt ein hohes Glas in der gut gebräunten Rechten, während sich neben ihm eine prächtige Schwarzhaarige mit lasziver Sorgfalt die Nägel lackierte.
Ich hörte mich seufzen.
»Gleich hab ich’s«, sagte Bertram. »Warten Sie nur. Gleich hab ich’s. Auf mein Gedächtnis ist … war bisher immer …«
Wieder hörte ich es eine Weile zwitschern und plätschern.
»Ein Regisseur. Graf hätte fast als Regisseur bei uns angefangen. Wir waren uns praktisch schon handelseinig, aber dann ist irgendwas vorgefallen …«
»Es geht mir darum, ob er am Abend des neunten November fünfundachtzig einen Termin bei Ihnen hatte?«
»Einen Termin?«
»Das behauptet er, und es wäre für mich aus bestimmten Gründen wichtig …«
»Graf war ein vielversprechendes Talent. Und wir sind ihm sehr entgegengekommen. Sehr. Aber aus irgendeinem Grund hat sich die Sache dann zerschlagen. Bei den Verhandlungen war ich selbst nicht dabei. Wegen dieses Termins … Ich müsste telefonieren. Melde mich wieder, ja?«
Der Filmproduzent im Ruhestand meldete sich nicht wieder. Stattdessen sein ehemaliger Kompagnon und Geschäftsführer. Dieses Mal hörte ich im Hintergrund kein Vögelgezwitscher, sondern eine gequält klingende Blockflöte.
»Es geht um den neunten November.«
»Das hat mir Hansi schon erläutert. Aber da kann ich Ihnen beim besten Willen nicht weiterhelfen. Ich habe tonnenweise Papier geschreddert, als ich in den Ruhestand ging. Das ging damals ja fast alles per Fax. Damals war das Telefax ja noch brandneu, mein Gott, und heute wissen die jungen Leute schon nicht mal mehr, was das ist. Was da im Hintergrund so jämmerlich piept, ist übrigens kein sterbender Schwan, sondern mein Enkelchen. Tills Mutter will partout nicht wahrhaben, dass ein Kind auch unmusikalisch sein kann.«
Es wäre ja auch zu schön gewesen.
»Sie sehen also
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