Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
denn Dringendes?«
Ich stellte mich vor. Lächelte tapfer. »Es geht um Viktoria Hergarden.«
»Die ist doch schon ewig tot.«
»Und ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen dazu stellen.«
»Ich weiß nichts. Wieso denn auf einmal?«
»Ihr Mann ist wieder aufgetaucht.«
»Freddy?«
Ich nickte und lächelte weiter.
»Und?«
»Dürfte ich vielleicht reinkommen?«
Ihr Blick war immer noch misstrauisch. Aber schließlich gab sie die Tür frei. »Falls die Unordnung Sie stört – Sie dürfen gerne aufräumen.«
Die Erdgeschosswohnung, die ich betrat, war ein finsteres, nach Alkohol und Schimmel stinkendes Loch voller Müll und leerer Flaschen. Die Bewohnerin steckte in einer fleckigen Jogginghose, die ihr über die Jahre zwei Nummern zu weit geworden war. Darüber schlabberte ein ebenfalls viel zu großer grauer Rollkragenpullover. Das hellblonde Haar war über die Jahre weiß und dünn geworden.
Während ich vor dem Haus auf das Schnarren des Türöffners wartete, hatte ich mir das bunte Klingelschild mit den unzähligen, überwiegend ausländischen Namen angesehen. In dem Haus lebten außer der Besitzerin noch fünf Wohngemeinschaften, von denen jede nach meiner Schätzung fünf- bis siebenhundert Euro Miete bezahlte. Das Haus wirkte nicht, als würde Geld für die Instandhaltung verschwendet, und die leeren Flaschen, die in der Küche herumstanden, hatten keine Luxusgetränke enthalten. Was also machte die Frau mit ihrem vielen Geld?
Wir setzten uns an einen verschmierten Tisch in der Küche, dem Raum, der von allen der vermüllteste zu sein schien. Ich zwang mich, den Gestank zu ignorieren, und achtete darauf, nirgendwo anzustoßen und nichts zu berühren. Ein uralter Kühlschrank dröhnte friedlich vor sich hin.
»Und?«, fragte Rosalie Jordan mit kalter Stimme. »Was ist nun mit Freddy?«
»Er behauptet, er hätte seine Frau umgebracht.«
»Hä? Was raucht der denn seit Neuestem für ein Kraut?«
»Ich vermute, er verdächtigt in Wirklichkeit einen anderen.«
»Wäre nichts Neues.«
»Hat er das damals auch schon getan?«
Sie nickte gelangweilt. Spielte mit einem Glas, in dem noch bräunliche Reste der einsamen Party vom Vorabend klebten. »Ja. Hat er.«
Ihre Gesichtsfarbe changierte zwischen Grau und Gelb. Im Mundwinkel klebte noch ein wenig Lippenstift. Die Alkoholfahne war atemberaubend.
»Was wissen Sie darüber?«, fragte ich, da sie offenbar nicht vorhatte, von sich aus zu reden.
»Er hat Marcel verdächtigt. Oder Sabeth, seine Frau. Er hat die fixe Idee gehabt, Marcel hätte seine Vicky gefickt. Und Sabeth hätte das dann logischerweise gewusst und sich bestimmt nicht gerade gefreut. Sie haben ja im selben Haus gewohnt, die vier.«
»Stimmt es, dass Graf etwas mit Frau Hergarden hatte?«
Sie grinste mich schelmisch an und ließ dabei zwei Zahnlücken sehen. »Vicky hat’s jedenfalls behauptet. Wollte mich wahrscheinlich eifersüchtig machen, das dreckige, kleine Luder.«
»Sie waren auch … an Herrn Graf interessiert?«
»Jede war an Marcel interessiert. Bin aber leider nicht sein Typ gewesen. Obwohl ich damals noch ein bisschen besser ausgesehen habe als heute, auch wenn es kaum zu glauben ist.«
»Fred Hergarden hat damals Herrn Graf verdächtigt, am Tod seiner Frau schuld zu sein.«
Sie nickte betont gelangweilt. Schenkte klaren Schnaps ins trübe Glas, nahm einen ordentlichen Schluck. Alles, ohne mich eine Sekunde anzusehen.
»Und halten Sie das für glaubhaft?«
»Dass Marcel Vicky …?« Wieder grinste sie. Machte mit dem Zeigefinger eine Bewegung über die Kehle. »Klar halte ich das für glaubhaft. Jeder Mensch ist zu einem Mord fähig. Das Schicksal muss ihn nur tüchtig genug in den Schwitzkasten nehmen. Bei Sabeth bin ich mir nicht so sicher, ob die so was gepackt hätte. Wenn Vicky an Gift gestorben wäre, dann okay. Aber so, mit roher Gewalt und Blut und allem …« Sie schloss die Augen und atmete einige Male tief ein und aus, als kämpfte sie gegen einen Schmerz an. »Hat es nicht geheißen, es sei ein Unfall gewesen? Ist nicht sogar die Polizei da gewesen und hat alles offiziell bestätigt?«
»Das ist richtig. Meine Kollegen, die den Fall damals untersucht haben, sind zu dem Schluss gekommen, dass Frau Hergarden allein war und unglücklich gestürzt ist.«
»Sie war besoffen, nicht?«
»Dafür gibt es keine Beweise. Allerdings war da eine leere Sektflasche. Und nur ein Glas dazu.«
Sie sah an meinem rechten Ohr vorbei auf einen trübseligen grauen Hof
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