Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
keine Chance …?«
»Leider. Beim besten Willen. Wir hatten damals mehrere Bewerbungen aus dem Raum Heidelberg, erinnere ich mich noch. War eine regelrechte Welle.«
»Eine davon war Viktoria Hergarden.«
»An den Namen erinnere ich mich nicht mehr. Aber es war eine Frau. Es war … warten Sie. Sie hat Eindruck auf mich gemacht, damals. War zweimal zum Vorsprechen bei uns gewesen, und um ein Haar hätte es geklappt. Blond war sie. Strohblond, richtig? Und etwas rundlich, richtig?«
»Das kann nicht Frau Hergarden gewesen sein.«
»Ich war – nachdem meine Frau tot ist, darf ich es ja sagen – ich war mit ihr essen, und es wurde ein – nun ja – in jeder Hinsicht unterhaltsamer Abend.«
»Jetzt bräuchte ich nur noch den Namen.«
»Sie hatte so einen lustigen Dialekt. Pfälzisch, obwohl sie gar nicht aus der Pfalz stammte …«
»Kurpfalz vielleicht? Hat sie aus Heidelberg gestammt?«
Die Blockflöte verstummte mit einem finalen Kreischen.
»Rosalie! Jetzt hab ich’s. Rosalie. Der Nachname … Jo… Jonas, vielleicht? Johann? Geben Sie versuchsweise mal ›Rosalie‹ bei Google ein und ›Theater‹.«
Der Tipp des pensionierten Geschäftsführers führte mich in Sekunden zum Ziel. In Heidelberg lebte zwar keine Schauspielerin mit Namen Rosalie. Dafür aber eine Rosa Jordan, geboren 1959. Sie wohnte in der Schiffgasse, keine zweihundert Meter vom Theater entfernt. Sogar eine Telefonnummer war in den Dateien des Meldeamts vermerkt. Eine fünfstellige Nummer, wie nur Heidelberger Ureinwohner sie besaßen.
Sönnchen streckte den Kopf herein, um mich daran zu erinnern, dass Essenszeit war und man sich auch angenehmeren Dingen widmen konnte als längst vergessenen Todesfällen.
»Sagt Ihnen der Name Rosalie Jordan etwas?«, fragte ich spontan.
Meine Sekretärin bekam runde Augen.
»Die Schauspielerin? Die kennt in der Altstadt jeder. Keine Ahnung, welches zurzeit ihre Stammkneipe ist. In den meisten hat sie ja Hausverbot.«
Ich lehnte mich zurück und verschränkte die Hände im Genick.
»Das Haus, in dem sie lebt, hat sie von ihren Eltern geerbt. Der Vater war auch ein armer Schlucker beim Theater. Ich meine aber, er war nicht Schauspieler, sondern Kulissenmaler. Die Mutter hat aus einer reichen Professorenfamilie gestammt. Die Rosa war das einzige Kind und hat später das Mietshaus in der Schiffgasse geerbt.«
»Hat sie in den Kneipen Hausverbot, weil sie ihre Zeche nicht bezahlt?«
»Das weniger. Den größten Teil von ihrem Haus hat sie an Studenten vermietet. Finanziell kommt sie zurecht, denke ich. Aber sie ist ein fürchterliches Lästermaul. Früher oder später gibt’s überall Stunk, wo sie auftaucht.«
Die Tür schloss sich. Ich wählte die fünfstellige Nummer der streitbaren Schauspielerin, aber es wurde nicht abgenommen. Draußen dunkelte es schon wieder, obwohl erst Mittag war. Fred Hergarden hatte sich noch immer nicht gemeldet. So rief ich wieder einmal die Vermieter an, und dieses Mal war jemand zu Hause. Herr Häusler war nicht weniger unwirsch als seine Gattin und erklärte mir nach einigen Schimpftiraden auf die Nachbarschaft, Hergarden habe gegen zehn das Haus verlassen und sei bislang nicht wieder aufgetaucht. Ob er ein Handy mit sich führte, war dem Vermieter nicht bekannt.
»Hat er gesagt, wie lange er bei Ihnen wohnen bleiben will?«
»Die Miete hat er bis Ende des Monats im Voraus bezahlt. Wir kassieren immer im Voraus. Sie glauben nicht, was heutzutage für Menschen …«
Ich bedankte mich und legte auf.
Rosalie Jordan öffnete mir erst, nachdem ich mehrmals kräftig gegen ihre Tür geklopft hatte. Nach einigen vergeblichen Versuchen, sie anzurufen, hatte ich beschlossen, ihr einen unangemeldeten Besuch abzustatten. Aber auch das war nicht so einfach, hatte sich herausgestellt, da die Klingel nicht funktionierte. Bis vor die Wohnungstür der alten Schauspielerin war ich nur vorgedrungen, weil eine kleine Studentin mit asiatischem Gesicht aus dem Haus gekommen war und mich mit respektvoller Verbeugung und ohne irgendwelche Fragen eingelassen hatte. Das Haus hatte schon von außen einen ungepflegten Eindruck gemacht. Von den blassgrün gestrichenen Fensterläden blätterte die Farbe, und auch der Verputz zeigte Verfallserscheinungen. Der Hausflur war lange nicht mehr gefegt worden.
Rosalie Jordan zog die Tür nur so weit auf, dass sie gerade eben hinausspähen konnte. Aus kurzsichtigen Augen starrte sie mich feindselig an.
»Ja?«, sagte sie. »Was gibt’s
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