Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
einfach mal sein Kind anrufen dürfen. Dir geht es wirklich gut?«
»Mir geht es wunderbar.«
»Und Sarah und Louise?«
»Denen geht es sowieso immer gut. Obwohl, in zwei Wochen gibt’s Zeugnisse, und dann wird sich das wahrscheinlich ändern …«
»Sind sie immer noch in der Pubertät?«
»Mittendrin. Aber das meiste Geschirr ist noch heil.«
»Fehlt ihnen die Mutter denn gar nicht?«
»Doch, natürlich.«
»Und wie sieht es aus …?«
»Wie sieht was aus?«
»Gibt es vielleicht eine neue Frau in deinem Leben?«
»Nein. Ja.«
»Ja? Wer ist sie? Ist sie nett? Mögen die Kinder sie?«
»Ja, sie ist nett. Wenigstens meistens. Und ja, die Mädels mögen sie.«
»Habt ihr vor zu heiraten?«
»Davon ist momentan keine Rede, Mama.«
Dass Theresa bereits verheiratet war, brauchte meine Mutter nun wirklich nicht zu wissen. Sonst würde sie vermutlich ab sofort täglich anrufen.
»Werdet ihr uns endlich mal besuchen hier unten im Süden? Es ist wirklich schön hier.«
»Ich weiß, Mama. Irgendwann kommen wir ganz bestimmt. Und du wirst auch meine neue … Partnerin kennenlernen. Ihr werdet euch mögen, da bin ich mir sicher. Du hast doch nicht etwa Heimweh, Mama? Das Wetter hier im Norden, ich kann dir sagen …«
»Heimweh? Um Gottes willen, nein! Ich bin heilfroh, dass ich nicht mehr in Deutschland bin. Wie hoch liegt der Schnee zurzeit?«
»Hier liegt kein Schnee. Vorhin hat sogar ein bisschen die Sonne geschienen. Und gestern war’s so warm, dass ich eine kleine Radtour gemacht habe.«
»Mit den Mädchen? War die … Frau auch dabei? Wie heißt sie eigentlich?«
»Erstens: Für pubertierende Mädchen gibt es nichts Uncooleres als Radtouren mit ihrem Papa. Zweitens: Sie war nicht dabei. Drittens: Sie heißt Theresa. Und viertens: Du wirst auf deine alten Tage ganz schön neugierig, Mama.«
Mein Scherz kam nicht gut an.
»Man wird sich als Mutter doch wohl noch dafür interessieren dürfen, wie es dem eigenen Fleisch und Blut geht!«
»Natürlich, Mama. Aber … du willst mir wirklich nicht sagen, was los ist?«
»Was soll los sein?«
»Papa geht’s auch gut?«
»Sehr gut geht es dem sogar. Sehr gut.«
Ein bisschen klang es wie: zu gut. Da unten im windigen Süden hing der Haussegen offenbar gewaltig schief. Aber heute würde ich nicht erfahren, was mir die ungewohnte Anhänglichkeit meiner Mutter bescherte. So plauderten wir noch ein wenig über das Wetter in Mitteleuropa im Speziellen und die Klimaerwärmung im Allgemeinen und legten schließlich auf im Einvernehmen darüber, dass es uns allen – von Kleinigkeiten abgesehen – sehr gut ging.
Nun war es dringend Zeit für die nächste der Schmerztabletten, die Dr. Kamphusen mir mitgegeben hatte. Alle sechs bis acht Stunden durfte ich eine davon nehmen. Ich hatte die Dosis eigenmächtig ein wenig erhöht, denn schließlich hatte ich keine Lust, ewig im Bett zu liegen und mit dröhnendem Kopf die Decke anzustarren.
3
Am Montagmorgen hielt sich mein Drang, aus dem Bett zu springen, immer noch in Grenzen. Wie ich es auch drehte und wendete, so sehr ich es auch hasste – ich war vorübergehend außer Gefecht. So wählte ich um Viertel nach acht meine eigene Nummer in der Polizeidirektion. Sönnchen nahm nach dem zweiten Klingeln ab.
»Meine Cousine hat am Samstag übrigens auch einen Salto über den Lenker gemacht«, war das Erste, was sie zu erzählen wusste.
»Am Samstag war anscheinend halb Heidelberg mit dem Rad unterwegs«, brummte ich.
»Wenn sie keinen Helm aufgehabt hätte – ach so, das Wort darf ich ja nicht …«
Wir gingen die Termine des Tages durch und sicherheitshalber auch gleich die des Dienstags. Zu meiner Erleichterung war nichts dabei, was keinen Aufschub duldete. »Sönnchen, Sie wissen doch alles, was in Heidelberg passiert. Ist Ihnen irgendwas bekannt geworden von einem Mann, der in letzter Zeit seine Frau umgebracht hat?«
»Seit der Geschichte in Hirschberg letzten November nicht. Wieso?«
»Nur so.«
Der Gattinnenmord in Hirschberg hatte zu den aus kriminalistischer Sicht eher einfachen Fällen gezählt: Arbeitslosigkeit, Krankheit, Hoffnungslosigkeit, Geldsorgen und Alkohol. Nachdem der Täter wieder halbwegs nüchtern und bei Sinnen gewesen war, hatte er selbst die Polizei gerufen, den Kollegen die Tür geöffnet, ihnen die Waffe ausgehändigt – ein kleines Beil, das er sonst zum Holzhacken benutzte – und sich widerstandslos festnehmen lassen. Nein, das war nicht die Geschichte, die ich
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