Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
schien eine prächtige Wintersonne, als gäbe es Grund zum Feiern. »Sie haben seinen Leibarzt aus Wiesbaden eingeflogen und lassen nicht mal die Klinikärzte an ihn ran. Der einzige Mensch, den man ans Telefon kriegt, ist seine Assistentin, und das Mädel ist ein verdammt zäher Knochen. Die Klinikärzte sind übrigens ziemlich angepisst, weil man sie in ihrem eigenen Haus mehr oder weniger kaltgestellt hat. Aber anscheinend haben Grafs Leute das direkt mit dem Chefarzt gedealt.«
Wir saßen zu dritt in meinem Büro, Klara Vangelis, Sven Balke und ich, und versuchten eine erste Bestandsaufnahme.
Vangelis hatte getan, was man als Chef an guten Mitarbeitern am meisten schätzt: Sie hatte selbst gedacht und noch auf dem kurzen Weg zum Tatort per Handy einige Mitstreiter akquiriert. Balke war auf dem Weg von seiner Wohnung in Schlierbach in die Heidelberger Innenstadt gewesen, wie fast jeden Tag per Rennrad, und sie hatte ihn zum Hotel Europäischer Hof umgeleitet, wo Graf Quartier bezogen hatte. Evalina Krauss hatte sie zum Uniklinikum dirigiert, wo sie sich zurzeit noch aufhielt und versuchte, für uns Informationsschnipsel zu sammeln.
»Die Täterbeschreibung passt auf Hergarden«, stellte ich fest. »Graf hat sie zum Glück dem Notarzt geben können, bevor er bewusstlos wurde.«
Vangelis tippte auf ihrem Handy herum, legte es dann auf den Schreibtisch. »Das ist der Anruf. Sieben Uhr neun.«
»Hilfe!« quäkte die panische Stimme des Fernsehstars aus dem winzigen Lautsprecher. »Hilfe, ich werde …« Ein unterdrückter Schrei, etwas wie das Knurren eines großen Hundes, Keuchen, dann nicht zu deutende Geräusche. »Überfall! Ich werde überfa…! Am …« Wieder Kampfgeräusche, Keuchen. »Am Neckar auf Höhe des … des …« Ein Schrei aus voller Kehle. Wieder das merkwürdige Knurren. »Auf Höhe des …«
Dann brach das Gespräch ab.
»Ich nehme an, Sie haben sich das schon in etwas besserer Qualität angehört?«, fragte ich Vangelis.
Sie nickte. »Man erkennt deutlich Grafs Stimme. Eine zweite Stimme ist nicht auszumachen. Da ist nur dieses Knurren.«
»Um zehn nach sieben war’s noch dunkel«, wusste Balke. »Ich bin um fünf vor halb aus dem Haus, und da ist es gerade hell geworden.«
»Wie hat man Graf so schnell finden können?«, fragte ich.
»Er hat nach einer halben Minute noch einmal angerufen und seine genaue Position durchgegeben. Der Notarzt war drei Minuten später schon da.«
»Die konnten ja praktisch zu Fuß gehen«, meinte Balke gallig. »In die Klinik hätten sie ihn tragen können. Wieso wohnt der Typ eigentlich in Heidelberg, wenn sein Job in Ludwigshafen ist?« Der Ton seiner Frage ließ keine Zweifel aufkommen, wie gering seine Sympathie für Graf und dessen Gewerbe war. »Sind ihm die Hotels da nicht fein genug?«
»Vielleicht alte Anhänglichkeit«, sagte ich achselzuckend und referierte im Telegrammstil die Vorgeschichte. Ich erzählte von Fred Hergarden und Johann Boll und von Hergardens Verdacht gegen Graf und reichte unser Phantombild herum.
»Klingt relativ eindeutig.« Vangelis sah Balke an, und der nickte mit abwesender Miene dazu, während er etwas in sein Smartphone tippte. »Damit wäre Hergarden unser Hauptverdächtiger?«
»Die Täterbeschreibung – wenn man das so nennen kann, was Graf von sich gegeben hat – passt jedenfalls.«
»Ein Mann. Groß. Hager«, las sie mit gerunzelter Stirn aus ihrem Notizbuch vor. »Wenn die beiden früher befreundet waren, warum hat Graf ihn dann nicht erkannt?«
Das war ein bedenkenswerter Einwand. »Sie haben sich dreißig Jahre nicht gesehen«, überlegte ich laut. »Es war dunkel. Graf war völlig überrascht …«
»Außerdem ist die Beleuchtung am Uferweg westlich von der Brücke mehr als mies«, erklärte Balke. »Da stehen keine Lampen. Da wird höchstens ein bisschen Licht von der Brücke gewesen sein.«
»Wieso geht der Mann ausgerechnet an so einer Stelle spazieren?«, warf ich in die Runde. »Ich habe ihn am Montag noch ausdrücklich gewarnt. Und dann läuft er ausgerechnet in die finsterste und einsamste Ecke Heidelbergs und lässt sich überfallen.«
Balke steckte sein Handy ein, das noch größer zu sein schien als der Vorgänger.
»Wir schreiben Hergarden offiziell zur Fahndung aus«, sagte ich in Richtung Vangelis. »Bis vorgestern hat er in Dossenheim in einem Privatzimmer gewohnt. Im Moment hat er wahrscheinlich keine feste Bleibe in Deutschland.«
»Dumm, dass es keine Augenzeugen gibt«,
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