Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
Schuhschränkchen unter dem Spiegel. Und die Tasche ist weg. Und nicht mal ›Auf Wiedersehen‹ hat er gesagt!«
»Wann er da war, wissen Sie aber nicht?«
»Doch. Kurz nach der Tagesschau. Mit dem Auto ist er gekommen, hab ich von einer Nachbarin gehört.«
»Mit einem Taxi?«
»Kein Taxi. Ein Mercedes. Die Frau Knobel von schräg gegenüber hat ihn gesehen. Mit einem Mercedes ist er vorgefahren. War aber kein ganz großer. Eher so ein mittlerer, meint die Frau Knobel. Seit ihr der Mann weggestorben ist, guckt sie viel aus dem Fenster. Achtundvierzig ist er bloß geworden, der Herr Knobel. Lehrer ist er gewesen, an der Berufsschule in Bergheim, und da kriegt der einen Herzinfarkt! Ist mit dem Rad von der Schule heimgefahren, der Knobel ist ja bei jedem Wetter mit dem Rad gefahren und hat so auf seine Gesundheit geachtet und nie Alkohol getrunken und nicht geraucht und immer nur Bio gegessen. Und dann? Bums. Mit achtundvierzig.«
»Kann Frau Knobel den Mercedes ein bisschen genauer beschreiben? War es vielleicht eine C-Klasse? Welche Farbe?«
»Die Frau Knobel versteht nichts von Autos. Die haben selber nie eins gehabt. Bloß Fahrräder. Weiß gar nicht, von was die jetzt lebt, nachdem der Mann tot ist. Fürs Aus-dem-Fenster-Gucken kriegt sie ja nichts bezahlt, und die Pension von ihrem Mann, das wird nicht viel sein, nach grad mal zwanzig Dienstjahren. Mein Mann, der ist ja auch Beamter gewesen, und der meint, mehr als tausend Euro kann sie nicht haben zum Leben. Aber gut, kein Auto, das Haus ist abgezahlt, sie hat einen großen Garten hinten raus und baut Gemüse …«
»Was weiß sie denn nun von dem Mercedes?«
»Müsst ich fragen.«
»Fragen Sie bitte auch, ob sie sich das Kennzeichen gemerkt hat.«
»Sie meinen, das Nummernschild?«
»Genau.«
»Ich flitz schnell zu ihr rüber. Wird ein paar Minuten dauern.« Und schon hatte sie aufgelegt.
Es dauerte am Ende über eine Viertelstunde, bis Hergardens ehemalige Vermieterin wieder anrief. Vermutlich hatte man noch ein Schwätzchen halten müssen.
»Hell war der Mercedes, meint sie.«
»Silbergrau vielleicht?«
»Kann sie nicht genau sagen. Es ist ja schon Nacht gewesen. Und jetzt hat der bis Monatsende die Miete gezahlt und lässt das schöne Zimmer einfach leer stehen. Aber gut, ist ja schließlich sein Geld …«
»Und das Kennzeichen?«
»Hat sie nicht gesehen.«
Sönnchen hatte gehört, dass ich zu Ende telefoniert hatte, und streckte den Lockenkopf durch die Tür. »Der Herr Runkel hat vorhin angerufen. Sie sollen ihn bei Gelegenheit zurückrufen.«
Erst hatte ich Wichtigeres zu tun. Theresa hatte an diesem Morgen schon drei SMS geschickt, hatte ich gerade entdeckt. Eine um halb acht, als sie sich auf den Weg zum Bahnhof machte, um dort ein druckfrisches Exemplar der »Zeit« zu ergattern. Sie hatte das Blatt zwar abonniert, aber auf den Briefträger zu warten, hätte sie an den Rand eines Nervenzusammenbruchs gebracht. Die zweite Nachricht war um zehn nach acht gekommen. Der Artikel war groß und lobend und noch viel schöner, als sie gehofft hatte. Die dritte Nachricht war erst wenige Minuten alt und kündigte eine Mail an, an die sie die inzwischen eingescannte Kritik gehängt hatte. So weit reichten ihre technischen Kenntnisse offenbar …
Der Verkaufsrang ihres Buchs bei Amazon war bisher nicht wie erwartet gestiegen, sondern über Nacht sogar noch weiter abgesackt. Ich schrieb zurück, dass der typische »Zeit«-Leser vermutlich erst abends seine Zeitung aufschlug und viele erst am Wochenende das Feuilleton studierten.
Gehorsam öffnete ich die Mail, überflog den zweispaltigen Artikel, der wirklich äußerst wohlwollend war, tippte eine zweite Kurznachricht, um Theresa nicht zu enttäuschen. Kurz überlegte ich, bei Amazon zum ersten Mal im Leben ein Buch zu ordern, um den Verkaufsrang ein wenig nach oben zu treiben. Aber ich hatte die Finger noch nicht auf der Tastatur, als das Handy schon wieder brummte.
»Können wir uns über Mittag sehen?«, schrieb die aufgedrehte Bestsellerautorin. »Irgendwo eine Kleinigkeit zusammen essen? Ich platze, wenn ich nicht bald mit jemandem anstoßen kann.«
Ich versprach, es irgendwie möglich zu machen und mich im Lauf des Vormittags wieder zu melden.
20
»Graf wird von seinen Bodyguards komplett abgeschirmt«, berichtete Sven Balke bei der kurzfristig anberaumten Fallbesprechung. Inzwischen war es halb zehn geworden, und die erste Aufregung hatte sich schon ein wenig gelegt. Draußen
Weitere Kostenlose Bücher