Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
ausgelassen und albern gewesen, hatte gesprüht vor guter Laune, kaum etwas gegessen, und sich im nächsten Moment Sorgen gemacht, weil ihr immer noch keine Idee für ihr drittes Buch gekommen war.
»Man muss mit der Zeit gehen, Herr Gerlach«, meinte meine verliebte Sekretärin und lachte über meine verdutzte Miene.
»Das Messer kann er sich schon vor Wochen beschafft haben«, spekulierte Balke bei der hoffentlich letzten Besprechung des Tages. »Wer weiß, wie lange er schon auf eine passende Gelegenheit gelauert hat.«
»Vielleicht hat er es geklaut«, meinte Vangelis frustriert. »Oder in Hamburg gekauft oder im Ausland. Jedenfalls ist hier wohl leider Ende der Fahnenstange …«
Außer einigen mikroskopisch kleinen Blutspuren vom Opfer hatte unser Labor an der mit Neckarwasser gründlich gewaschenen Tatwaffe nichts Verwertbares gefunden. Eventuell vorhandene Fingerabdrücke hatte der Täter natürlich gründlich abgewischt, wenn er nicht ohnehin Handschuhe getragen hatte. Noch immer waren außer der Joggerin keine ernst zu nehmenden Zeugen aufgetaucht. Hergarden – inzwischen war ich überzeugt, dass er der Angreifer war – hatte den Ort seiner Tat verflucht geschickt ausgewählt.
»Und jede Menge Glück hat er außerdem gehabt«, maulte Balke. »Normalerweise treten sich um die Uhrzeit am Neckarufer die Jogger auf die Hacken.«
»Wie weit sind wir denn mit den Anruflisten von Frau Jordan?«
Nach dem Anschlag auf Marcel Graf hatte ich Balke gebeten, sich darum zu kümmern. Man konnte ja nie wissen …
Wortlos und mit immer noch mürrischer Miene schob er mir einen Computerausdruck über den Tisch. »Viel telefoniert hat sie ja nicht. Auf der Vorderseite sind die abgehenden Anrufe der letzten vier Wochen aufgelistet, auf der Rückseite die Anrufer. Hat sie kein Handy gehabt?«
»Ich habe zumindest keines gefunden.«
Ich überflog die wirklich kurze Liste von Rosalie Jordans Telefonkontakten und blieb an der letzten Position hängen.
»Null-sechs-zwei-eins, das ist doch …«
»Mannheim«, sagte Balke.
»Und Ludwigshafen«, ergänzte ich und war schon dabei, die Nummer in meinen Laptop zu tippen.
»Pfalzbau«, murmelte ich zunächst verständnislos. Im nächsten Moment war mir alles sonnenklar: »Sie hat Graf angerufen. Neunzig Minuten, nachdem ich bei ihr war.«
Ich drehte das Blatt um. Bei den Anrufern tauchte mehrfach meine eigene Nummer in der Liste auf. Zuletzt eine Handynummer. Dienstagabend, dreiundzwanzig Uhr vier. Das Gespräch hatte fast eine Viertelstunde gedauert.
»Diese Handynummer interessiert mich«, sagte ich und schob Balke die Liste zurück. »Der Anruf war vermutlich kurz vor ihrem Tod.«
Balke warf einen Blick auf die Liste, zog die blassblonden Brauen hoch, sagte: »Augenblick mal.«
Sekunden später wussten wir, dass die Handynummer Marcel Graf gehörte. Durch meinen Kopf wirbelten Gedanken wie das alte Herbstlaub vor den Fenstern im Wintersturm. »Das wäre … Das heißt ja …«
Sönnchen brauchte nur wenige Augenblicke, um Namen und Telefonnummer des Bestattungsunternehmens herauszufinden, das Rosalie Jordans sterbliche Überreste verwahrte. Ich ordnete eine Obduktion an.
»Die Spurensicherung soll sich die Wohnung vornehmen. Und zwar heute noch.«
Als ich abends nach Hause kam, saßen die Zwillinge vor dem Fernseher, zwischen sich eine große Tüte Popcorn, und guckten mit großen Augen Germany’s next Topmodel .
»Oma hat angerufen«, sagte Louise, ohne den Blick vom bunten Bildschirm zu wenden.
»Was wollte sie?«
»Hat sie nicht gesagt. Du sollst sie anrufen. Es ist aber nicht dringend.«
»Morgen«, seufzte ich und gähnte. »Für heute habe ich genug telefoniert. Außerdem muss ich jetzt erst mal was essen.«
Als ich zu Abend gegessen hatte, war es schon fast neun. Ich gesellte mich mit einem Glas Wein in der Hand zu meinen Töchtern, wurde ermahnt, leise zu sein, und fragte mich wieder einmal, wer sich eigentlich solche Sendungen ausdachte und warum die Feministinnen dieser Welt das Studio nicht längst in Brand gesteckt hatten. Schon nach zehn Minuten war ich eingenickt. Das Letzte, was ich von Deutschlands nächsten Topmodels sah, war ein Rotz und Wasser heulender und wie eine Prostituierte aufgeputzter Teenager.
In der Nacht riss mich das Handy aus dem ersten Tiefschlaf. Der Radiowecker zeigte null Uhr dreiundzwanzig. »Unbekannter Teilnehmer«, las ich auf dem Display, nachdem ich meine Brille gefunden und auf die Nase bugsiert hatte.
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