Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
ließ es sich nicht nehmen, sie mir persönlich zu überbringen: »Wir haben das Messer gefunden. Der Täter hat es unmittelbar nach dem Anschlag in den Neckar geworfen.«
»Nach Fingerspuren brauche ich wohl nicht zu fragen.«
»Da liegen Sie richtig. Das Messer ist billige Kaufhausware. Die Spusi sagt, es sei neuwertig, vermutlich erst kürzlich gekauft. Ich lasse gerade die Geschäfte im Umfeld abtelefonieren, die so etwas führen. Die Chancen sind nicht groß, aber wer weiß …«
Damit schien unsere Erfolgssträhne aber auch schon wieder zu Ende zu sein. Ich bat sie, mir die Seriennummer der teuren Armbanduhr zu besorgen, die bei dem Einbruch der Kellertürenbande im November verschwunden war. Wenige Minuten später rief Sven Balke an. Sie hatte die Aufgabe an ihn weitergereicht.
»Eine Patek Philippe Calatrava Gold war das. Über dreizehntausend Mücken kostet so ein Teil!«, erklärte er empört. »Für eine Scheißarmbanduhr, die auch nur die Zeit anzeigen kann!«
»Jeder hat seinen eigenen Spleen, für den er sein Geld aus dem Fenster wirft.«
»Solange Menschen solche Beträge für Tinnef ausgeben können, während andere ihr Fressen aus Müllcontainern suchen müssen, ist mit dieser Gesellschaft irgendwas nicht in Ordnung.«
Er diktierte mir die Seriennummer der verschwunden Edeluhr. Ich schrieb Runkel die gewünschte SMS und machte mich auf den Weg in die Innenstadt, um Theresa im Café Extrablatt zum Lunch zu treffen.
Das Messer stammte aus der Haushaltsabteilung von Kaufhof, fand Vangelis im Lauf des Nachmittags heraus. Dort lief zurzeit eine Sonderverkaufsaktion: Küchenmesser verschiedenster Größen aus fernöstlicher Produktion, jedes nur ein Euro neunundneunzig. Von der Sorte, die der Täter benutzt hatte, waren allein in den letzten sieben Tagen neunzehn Stück verkauft worden.
Schon im Lauf des Vormittags hatte die Sonne sich mehr und mehr verzogen. Düstere Wolken zogen auf, vor den Fenstern wurde es minütlich kälter und windiger. Erste Graupelschauer gingen nieder. Und unsere Ermittlungen kamen nicht voran. Hergarden war trotz der intensivierten Fahndung nicht zu finden, weitere Zeugen waren nicht aufzutreiben, hilfreiche Spuren am Tatort nicht zu entdecken. Der Weg, auf dem Marcel Graf seinen Spaziergang unternommen hatte, war asphaltiert, sodass auch keine Schuhabdrücke oder dergleichen auszumachen waren. Hoffnungen setzten wir in Blut- und Gewebespuren, die sich an Grafs Händen finden lassen mussten. Niemand lässt sich mit dem Messer abstechen, ohne sich handfest zur Wehr zu setzen. Aber die Ärzte ließen uns nicht an ihn heran. Die Gesundheit des Patienten stehe an erster Stelle, wurde mir immer wieder beschieden, und Herr Graf sei durch den Mordanschlag physisch und psychisch stark angegriffen.
Der heimtückische Anschlag auf den prominenten Showmaster war natürlich Aufmacherthema aller Onlinemedien, Radio- und Fernsehnachrichten. Man erging sich in Spekulationen über mögliche Hintergründe und denkbare Motive des Täters. Bewunderte Graf für seine Tapferkeit, bemitleidete ihn nach Kräften, rätselte, ob die beliebte Samstagabendshow jemals wieder auf den Bildschirmen erscheinen würde. Die Station des Uniklinikums, wo man das Opfer mehr oder weniger unter Verschluss hielt, wurde von Mikrofonen und Kameras belagert. Sogar Hubschrauber knatterten hin und wieder über dem Gelände, mit Kameramännern, die durch lange Objektive heruntergelassene Jalousien filmten. Ich konnte sie bei geschlossenen Fenstern durch die Luft rattern hören. Jeder, der auch nur am Rande mit der Station zu tun hatte, wurde interviewt. Selbst das nur gebrochen Deutsch sprechende Reinigungspersonal war nicht sicher vor der jagdfiebrigen Meute.
Die Polizei verfolge mehrere Spuren, hieß es immer wieder, halte sich jedoch aus ermittlungstaktischen Gründen bedeckt. Harmlose Spaziergänger am Neckarufer gerieten zu ihrer Verblüffung ins Zentrum des Medieninteresses, durften vor schweren Kameras wahlweise Abscheu, Empörung oder Mitgefühl äußern. Ein kleines Mädchen mit braunen Zöpfen, vielleicht acht Jahre alt, erzählte artig, seine Omi sei sehr traurig. Fast so traurig wie damals im Sommer, als der Opi starb. Sönnchen hielt mich ständig auf dem Laufenden.
»Auf Twitter gibt’s alle paar Minuten die letzten Neuigkeiten«, wusste sie zu melden.
»Twitter?«
Mein Kopf war infolge der zwei Gläser Sekt, die ich auf Theresas Erfolg geleert hatte, noch etwas langsam. Theresa war
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