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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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aus. »Wir haben die Pflicht,
weiterzukämpfen – wenn es nicht anders geht, bis zum Tode. Wir müssen neuen Mut fassen. Wenn wir nicht im Besitz der Wahrheit sind, haben wir gar nichts.« Der Hauch eines Lächelns trat in seine Augen. Er strich sich geistesabwesend die Gewänder glatt. »Danke, Anastasios. Euer Glaube an mich hat mir Kraft gegeben. Das ist ein Rückschlag, aber keine endgültige Niederlage. Wenn wir am Glauben festhalten, werden wir morgen die Auferstehung miterleben.« Er straffte die Schultern. »Ich werde mich sofort ans Werk machen.«
    »Ehrwürdigste Exzellenz …« Sie streckte die Hand aus, als wolle sie ihn berühren, ließ sie aber im letzten Augenblick sinken. »Seid auf Eurer Hut«, mahnte sie. Sie dachte daran, dass man ihn festnehmen könnte, wenn ihm nicht gar Schlimmeres drohte. »Sofern Ihr Euch zu offen gegen den Zusammenschluss äußert, wird man Euch aus dem Amt entfernen«, sagte sie mit Nachdruck. »Wer kümmert sich dann um die Armen und Kranken? Wem wäre damit gedient, wenn man Euch wie Kyrillos Choniates in die Verbannung schickte?«
    »Ich habe nicht die Absicht, so unklug zu sein«, versprach er. »Ich werde im Glauben nicht wankend werden und mich unauffällig verhalten.«
    Er stand auf den Stufen vor der Apostelkirche. Eine besorgte Menge drängte heran. Die Menschen sahen zu ihm hin und erwarteten, dass er sie beruhigte und ihnen versicherte, dass sie getrost sein dürften. Er merkte nicht, dass sich Anna wenige Schritte hinter ihm im Schatten hielt. Mit seinen Blicken und Gedanken konzentrierte er sich auf die Gesichter vor ihm.
    »Habt Geduld«, sagte er mit gelassen klingender Stimme. Allmählich erstarben die Gespräche, weil die Menschen
hören wollten, was er zu sagen hatte. »Wir stehen vor schwierigen Zeiten«, fuhr er fort. »Wir müssen nach außen hin gehorsam erscheinen, um zu verhindern, dass es zu Auseinandersetzungen kommt, wenn nicht gar zu Gewalttaten. Das Alte liegt mit dem Neuen im Widerstreit, doch wir kennen die Wahrheit unseres Glaubens und werden ihn im eigenen Hause bewahren, falls das auf der Straße oder in der Kirche unmöglich sein sollte. Wir werden an ihm festhalten und die Hoffnung nicht aufgeben. Gott wird uns gewiss erretten.«
    Die Panikstimmung verflog. Anna sah, dass sich ein Lächeln auf die Gesichter legte und das Gedränge aufhörte.
    »Gott segne den Bischof«, rief jemand. »Konstantinos! Bischof Konstantinos!« Die Menge nahm den Ruf auf und wiederholte ihn wie eine Beschwörungsformel.
    Konstantinos lächelte. »Geht in Frieden, meine Brüder. Bleibt stark im Glauben. Für den, der wahrhaft glaubt, gibt es keine Niederlage, nur eine Zeit des Wartens, eine Prüfung, die von uns verlangt, dass wir vertrauen und Gottes Gebote halten, bis der neue Tag anbricht.«
    Wieder wurde aus der Menge sein Name gerufen, und erneut ertönten Segenswünsche. Anna sah, wie er demütig den Kopf gesenkt hielt und den Jubel bescheiden abwehrte. Sie sah aber auch, dass er zitterte und in den Falten seines Gewandes eine Hand zur Faust geballt hatte, sah den Schweiß auf seiner Haut. Als er sich von der jubelnden Menge abwandte, sah sie, dass seine Augen glänzten und seine Wangen gerötet waren. Den gleichen Ausdruck hatte sie auf Eustathios’ Gesicht gesehen, als sie einander zum ersten Mal geliebt hatten, damals, als Begierde und Vorfreude sie beide brennend erfüllt hatten, ganz am Anfang, bevor die Bitterkeit einsetzte.

    Mit einem Mal war sie angewidert und schämte sich. Sie wünschte, sie hätte diesen Ausdruck auf dem Gesicht des Bischofs nicht gesehen, mit dem er die Bewunderung der Menge genoss, doch es war zu spät. Er hatte sich ihrem Gedächtnis eingeprägt.
    Nach wie vor im Schatten stehend, empfand sie ein tiefes Schuldgefühl, weil ihr seine hässlichen Empfindungen bewusst geworden waren: der Zweifel ebenso wie das inbrünstige Verlangen, und sie brachte die Ehrlichkeit nicht auf, ihm das zu sagen.
    Konstantinos hatte sie wieder mit der Kirchengemeinschaft zusammengeführt, ihrem Leben einen Zweck gegeben, der über das tägliche Heilen von Kranken hinausging. Wenn sie sich jetzt von ihm löste – und ihr war klar, dass das unwiderruflich sein würde –, wäre sie erneut gänzlich allein.
    Was war der größere Verrat – ihm mit der Wahrheit gegenüberzutreten oder es nicht zu tun? Sie wandte sich ab und entfernte sich, bevor er davonging, damit sie nicht seine Augen und er nicht die ihren sehen konnte.

KAPİTEL 45
    In dem

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