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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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»Natürlich weiß ich es. Bessarion war ein Einfaltspinsel. Er hat allen möglichen Leuten vertraut – und
Ihr seht ja, was er damit erreicht hat! Esaias Glabas ist ein sympathischer Mensch, aber eine Spielernatur, und er neigt dazu, sich anderer zu bedienen. Nur ein Schafskopf will, dass alle ihn lieben. Das ist zwar angenehm und kann nützlich sein, ist aber in keiner Weise notwendig. Antonios war treu und verlässlich, einer von denen, die im zweiten Glied Hervorragendes leisten. Ioustinianos war in der Tat der Einzige, der die nötige Klugheit und innere Kraft besaß, zu tun, was zu tun war. Wie dumm von Bessarion, sein Amulett in den Zisternen zu verlieren. Gott weiß, was er dort getrieben hat! Ich wollte, ich wüsste es auch.«
    »In den Zisternen?«, wiederholte Anna, um Zeit zu gewinnen. »Heißt es nicht, er sei auf dem Meer umgekommen? Hat jemand das Amulett gestohlen?«
    Zoe zuckte die Achseln. »Wer weiß das schon? Man hat es erst mehrere Tage später gefunden. Gut möglich, dass der Dieb es dort von sich geworfen hat.«
    »Was für ein Amulett war das?«, fuhr Anna fort.
    »Ziemlich einfallslos und ganz im Geist der orthodoxen Lehre. Genau genommen ziemlich scheußlich. Ioustinianos besaß ein weit schöneres, und er hat es ständig getragen. Er hatte es noch, als man ihn fortgebracht hat.«
    »Tatsächlich?« Anna konnte das Zittern in ihrer Stimme kaum unterdrücken. »Wie sah es aus?«
    Zoe musterte sie wachsam. »Petrus, der auf dem Wasser zu wandeln versucht, und Christus, der ihm die Hände entgegenstreckt«, gab sie zurück. Einen Augenblick lang lag in ihrer Stimme eine Art Rührung, eine Mischung aus Schmerz und Staunen.
    Anna kannte das Amulett. Katharina hatte es ihm geschenkt, als Symbol für den bis an die Grenze getriebenen Glauben, der verlangt, dass man seine Schwäche überwindet.
Er trug es also nach wie vor. Auf keinen Fall durfte sie vor Zoe weinen, und so schluckte sie ihre Tränen tapfer herunter.
    »Er hatte mit Freunden unweit der Zisternen zu Abend gegessen«, erklärte Zoe. »Ich nehme an, dass man ihn deshalb der Mittäterschaft bezichtigt hat. Außerdem stammten die Netze, in denen man den ertrunkenen Bessarion fand, von seinem Boot.«
    »Bessarions Amulett könnte aber doch zu jedem beliebigen anderen Zeitpunkt in die Zisternen gelangt sein«, wandte Anna ein.
    Zoe setzte sich noch ein wenig aufrechter hin. »Er hat es am Tag seiner Ermordung getragen. Das hat nicht nur Helena bestätigt, sondern auch seine Diener. Selbst wenn sie womöglich die Unwahrheit gesagt hat, wären die Diener nicht alle miteinander in der Lage gewesen, die Lüge konsequent durchzuhalten.«
    »Ioustinianos! Und ich hatte gedacht …« Anna hielt inne. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, ohne sich zu verraten. Nichts von dem, was sie von Zoe erfahren hatte, entsprach dem, was sie zu hören gewünscht hatte. »Wie … wie war dieser Ioustinianos?« Sie hätte es lieber nicht gewusst, konnte aber die Frage nicht länger hinauszögern. Sie erinnerte sich an ihn, wie er früher gewesen war, dachte an ihre gemeinsamen Erlebnisse, an die Zeit, da sie nahezu Spiegelbilder im Denken und Handeln gewesen waren.
    »Ioustinianos?«, sagte Zoe gedehnt. »Manchmal musste ich über ihn lachen. Er war unbeirrbar bis hin zur Schroffheit, aber alles andere als schwach.« Ihre Lippen spannten sich an. »Ich hasse Schwäche! Traut nie einem Schwächling, Anastasios, ganz gleich, ob Mann, Frau – oder Eunuch. Traut niemandem, der sich vergewissern will, was andere
von ihm halten. So jemand schlägt sich, wenn es hart auf hart kommt, immer auf die Seite der Sieger, ganz gleich, welchen Standpunkt diese vertreten. Auch traut niemandem, der gelobt werden will. Solche Leute erkaufen sich die Zuwendung anderer und zahlen dafür jeden Preis.« Mahnend hob sie ihren langen schlanken Zeigefinger. »Vor allem aber traut niemandem, der es nicht aushält, allein zu sein. Er verkauft seine Seele für alles, was nach Zuwendung aussieht, ganz gleich, was es in Wirklichkeit ist.« Im Schein der Fackeln war ihr hartes Gesicht schmerzlich verzogen, als habe sie soeben ihre erste große Enttäuschung erlebt.
    »Und wem soll ich trauen?«, fragte Anna und bemühte sich um einen munteren Klang in ihrer Stimme.
    Zoe sah sie an, musterte jede Linie in ihrem Gesicht, die Augen, den Mund, die unbehaarten Wangen, den weichen Hals. »Traut Euren Feinden, sofern Ihr wisst, wer sie sind. Bei ihnen ist man sich im Klaren darüber, was man

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