Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
hatte. Er war es, der argumentiert hatte, das Monster von Mastrick sei nicht wirklich für seine Taten verantwortlich. Dass er diese Frauen nur getötet habe, weil sie allzu heftig auf seine Annäherungsversuche reagiert hätten. Dass sie sich aufreizend gekleidet hätten. Kurz, dass sie es im Grunde so gewollt hätten.
Die Pressemeute vor dem Haus, in dem der kleine Richard Erskine wohnte, hatte sich fast verdoppelt, als sie dort ankamen. Die ganze Straße war mit geparkten Fahrzeugen verstopft. Sie entdeckten sogar ein paar Übertragungswagen von auswärtigen Sendern. Constable Watson musste kilometerweit vom Haus entfernt parken, sodass sie gezwungen waren, den ganzen Weg durch den Regen zurückzustapfen, beide unter Watsons Schirm gedrängt.
Zu BBC Scotland hatten sich Grampian, ITN und Sky News gesellt. Das grellweiße Licht der Fernsehscheinwerfer wusch den letzten Rest von Farbe aus den blassen Granitmauern der Häuser. Niemand schien dem Winterregen allzu viel Beachtung zu schenken, obwohl er nach wie vor in eisigen Sturzbächen vom Himmel prasselte.
Die vollbusige Blondine von Channel Four News sprach gerade in die Kamera. Sie hatte sich ein Stück weit die Straße hinunter postiert, um das Haus und den Rest der Medienmeute im Hintergrund zu haben.
»… müssen wir uns fragen: Dient dieser Medienrummel um das Leid einer Familie in einem Moment wie diesem wirklich dem öffentlichen Interesse? Wenn …«
Watson latschte mitten durch die Aufnahme. Ihr blau-weißer Regenschirm schob sich zwischen die Kamera und die Reporterin.
Jemand schrie: »Schnitt!«
»Das haben Sie mit Absicht gemacht«, flüsterte Logan, als hinter ihnen die Fernsehjournalisten in lautstarkes Fluchen ausbrachen. Constable Watson lächelte nur und drängte sich unsanft durch die Menge, die sich am Fuß der Treppe versammelt hatte. Logan eilte ihr nach und versuchte die wütenden Beschwerden zu ignorieren, die sich unter die gerufenen Fragen und die Bitten um Stellungnahmen mischten.
Eine Vertrauensbeamtin war im Wohnzimmer bei Richard Erskines Mutter und der verbitterten älteren Frau von nebenan. Von DI Insch war nichts zu sehen.
Logan ließ Watson im Wohnzimmer stehen und sah in der Küche nach, wo er sich aus einer Packung Jaffa-Kekse bediente, die offen auf der Anrichte neben dem Wasserkocher lag. Eine halb verglaste Tür führte von der Küche hinaus in den Garten, doch die Scheibe war von einer wuchtigen Gestalt verdunkelt, die draußen stand.
Es war jedoch nicht Insch, sondern ein bekümmert dreinschauender, übergewichtiger Detective Constable mit leichtem Bartschatten, der rauchend unter dem winzigen Vordach stand.
»Tag, Sir«, sagte der DC. Er dachte nicht daran, Haltung anzunehmen oder seine Zigarette auszudrücken. »Sauwetter, wie?« Er war nicht von hier, sein Akzent war reinstes Newcastle.
»Man gewöhnt sich dran.« Logan trat hinaus auf die Türstufe und stellte sich dicht neben den DC, um so intensiv wie möglich passiv rauchen zu können.
Der Constable nahm die Kippe aus dem Mund und steckte dafür den Finger hinein, um mit dem Nagel zwischen seinen hinteren Backenzähnen herumzustochern. »Kann ich mir kaum vorstellen. Ich meine, ich bin ja einiges an Regen gewohnt, aber das hier, das ist ja wirklich der absolute Gipfel.« Er fand schließlich, was er gesucht hatte, und schnippte es in den Regen davon. »Was glauben Sie, wird es das ganze Wochenende so bleiben?«
Logan spähte hinaus auf die tiefen, dunkelgrauen Wolken. »Das ganze Wochenende?« Er schüttelte den Kopf und sog noch eine Wolke Tabakrauch in seine vernarbten Lungen. »Wir sind hier in Aberdeen. Hier regnet es durch bis März.«
»Quatsch!« Die Stimme war tief und gebieterisch, und sie kam von unmittelbar hinter ihnen.
Logan spähte über die Schulter und sah DI Insch in der Tür stehen, die Hände in den Hosentaschen vergraben.
»Hören Sie nicht auf DS McRae. Der erzählt Ihnen bloß einen vom Pferd.« Insch trat auf die Türstufe, auf der es allmählich ein wenig eng wurde. Logan und der DC mussten einen halben Schritt zur Seite treten, um ihm Platz zu machen.
»Es regnet durch bis März, wie?« Insch stopfte sich ein Fruchtgummi in den Mund. » März? Tischen Sie doch dem armen Constable keine Lügen auf. Wir sind hier schließlich in Aberdeen.« Er seufzte und steckte die Hände wieder in die Taschen. »Hier hört es nie auf zu regnen.«
Sie standen da und sahen zu, wie es weiter vor sich hin regnete.
Ȇbrigens, eine gute
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