Die Eheprobe
schlechter Moment, Jude«, erkläre ich ihm.
»Mach das Auto auf«, sagt Zoe.
»Ich hab das mit dem Job von deinem Vater gehört«, sagt Jude. »Ich wollte nur sagen, dass mir das leidtut.«
Ich werde Nedra umbringen. Ich habe sie schwören lassen, niemandem auÃer Kate von Williams Entlassung zu erzählen.
»Wir müssen uns beeilen, Jude. Zoe und ich gehen zusammen Mittagessen.« Ich schmeiÃe meine Tasche auf die Rückbank.
»Oh, wie nett«, sagt Jude. »So âne Art Mutter-Tochter-Ding.«
»Jawohl, ein Mutter-Tochter-Ding«, sage ich und steige ins Auto. Auch wenn die Tochter nichts mit der Mutter zu tun haben will.
Von meinem Sitz aus stelle ich den Rückspiegel so ein, dass ich sehen kann, wie Jude zurück in den Drogeriemarkt geht. Seine Schulterblätter stechen spitz unter seinem T-Shirt hervor. Er ist immer knochig gewesen und sieht heute noch aus wie ein ein Meter achtzig groÃer kleiner Junge.
»Ich habe keinen Hunger«, sagt die Tochter.
»Bis wir da sind, wirst du Hunger haben«, sagt die Mutter.
»Wir können es uns nicht leisten, essen zu gehen«, sagt die Tochter. »Wir sind eine Coupon-einlösende Familie.«
»Stimmt, also fahren wir besser nach Hause und essen ein paar Cracker«, sagt die Mutter. »Oder Brotkrumen.«
Zehn Minuten später sitzen wir in einer Nische im Rockridge Diner.
»Macht dir das was aus? Dass Jude sich so benimmt, als wäre nichts passiert? Dass er dir überall hinterherrennt? Kann ich einen Schluck von deinem Tee haben?«, frage ich.
Zoe reicht mir ihren Becher. »Puste nicht in den Tee. Ich hasse es, wenn du in meinen Tee pustest, der sowieso schon kalt ist. Du brauchst dir über mich und Jude keine Meinung bilden.«
»Haargel und eine Pinzette.«
»Was ist damit?«
»Das hatte er in seiner Tüte.«
Zoe prustet los.
»Einmal gegrillter Schinken mit Käse und ein Sandwich mit Erdnussbutter und Marmelade«, sagt die Kellnerin. Sie stellt die Teller vor uns ab und lächelt Zoe an. »Dafür ist man nie zu alt, nicht wahr? Möchtest du auch noch ein Glas Milch, Kleines?«
Zoe blickt zu der Kellnerin auf, die aussieht, als sei sie Mitte sechzig. Wir kommen schon ewig in das Rockridge Diner und werden immer von ihr bedient. Sie hat Zoe in allen Lebensphasen gesehen: als mit Milch betäubten Säugling, als Pommes zerquetschendes Kleinkind. Dann als Lego spielendes Vorschulkind, Harry Potter lesende Fünftklässlerin und jetzt als in Second-Hand-Klamotten ausstaffierten Teenager.
»Das wäre wirklich toll, Evie«, sagt Zoe.
»Kommt gleich«, sagt die Kellnerin und tätschelt Zoe die Schulter.
»Du weiÃt, wie sie heiÃt?«, frage ich, als Evie wieder hinter dem Tresen verschwunden ist.
»Sie bedient uns schon seit Jahren.«
»Ja, aber sie hat uns nie gesagt, wie sie heiÃt.«
»Du hast sie nie gefragt.« Zoe schieÃen plötzlich Tränen in die Augen.
»Du weinst ja, Zoe. Warum weinst du? Wegen Jude? Das ist lächerlich.«
»Halt den Mund, Mom.«
»Bingo. Einen Halt-den-Mund-Monat Hausarrest. Du hast den Bogen überspannt. Ich kann nicht glauben, dass du diesem Kerl nachweinst. Ich bin tatsächlich wütend darüber, dass du wegen ihm heulst. Er hat dir wehgetan.«
»WeiÃt du was, Mom?«, schnauzt sie mich an. »Du glaubst, du weiÃt alles von mir. Ich weiÃ, dass du das glaubst, aber soll ich dir mal was sagen? Nichts weiÃt du.«
Mein Handy meldet sich. Eine neue Nachricht von Forscher 101? Ich versuche, den hoffnungsvollen Ausdruck in meinem Gesicht zu vertuschen.
Zoe schüttelt verwundert den Kopf. »Was ist los mit dir?«
»Nichts ist los«, sage ich, während ich in meiner Tasche nach dem Handy suche. Rasch werfe ich einen Blick auf das Display. Eine Facebook-Benachrichtigung â ich wurde auf einem Foto markiert. O Gott, wahrscheinlich trage ich darauf eine Djellaba.
»Entschuldige.« Ich schalte mein Handy aus.
»Du bist total nervös«, sagt Zoe, »als würdest du etwas verheimlichen.« Sie starrt mein Telefon anklagend an.
»Nein, das tue ich nicht, aber warum eigentlich nicht? Auch ich darf ein Privatleben haben. Ich bin mir sicher, auch du hast Geheimnisse.« Ich blicke anklagend auf ihr Sandwich. Zwei Bissen, vielleicht drei â ich wette, mehr werdenâs nicht.
»Ja, aber ich bin
Weitere Kostenlose Bücher