Die Ehre der MacLaughlins (German Edition)
kann ich nicht, ich muss irgend etwas
tun!“
„Du
kannst nichts tun, Seonag“, warf Màiri zaghaft ein. „Niemand kann etwas tun.
Ist es nicht so, Mr Lamont?“
Der
Angesprochene nickte nachdenklich.
Auch
Joan setzte sich wieder, ihre unsteten Finger nestelten unaufhörlich an der
Verschnürung ihres Mieders herum. „Zum ersten Mal seit zehn Jahren bedauere
ich, dass die Zeittunnel verschüttet sind.“
Hellhörig
geworden hob Robin die Brauen. „Was willst du damit andeuten?“ Aber eigentlich
kannte er bereits die Antwort.
„Ich
würde noch einmal das Risiko einer Zeitreise auf mich nehmen, um Medizin aus
der modernen Welt zu holen“, sagte Joan mit fester Stimme. „Ja, ich würde
Antibiotika holen und Penicillin und alles, was einem Menschen im achtzehnten
Jahrhundert das Leben retten könnte.“
„Aber
Seonag! Sei vernünftig! Ceanas Geist ruht in Frieden, deshalb ließ sie die
Zeittunnel zerstören. Es gibt keinen Weg mehr in die Zukunft, da es keinen
Grund mehr dafür gibt.“
Hektisch
blickte sich Joan um. „Wir könnten den Broch von den Trümmern befreien,
vielleicht funktioniert es dann. Ceanas Amulett trage ich noch immer bei mir.“
Wie zum Beweis griff sie in ihre Rocktasche und förderte das silberne
Runenamulett, das an einem brüchigen ledernen Halsband baumelte, zutage.
Doch
Robin schüttelte den Kopf. „Wenn Ceana gewollt hätte, dass du noch einmal durch
die Zeit reist, hätte sie die Tunnel nicht zerstört.“
Kraftlos
ließ Joan die Hand mit dem Amulett sinken, ihre smaragdgrünen Augen waren mit
Tränen gefüllt. „Ich muss wieder zu May, sie wird mich schon vermissen.“
Màiri
stand gleichzeitig mit ihrer Schwägerin auf. „Ich komme mit dir. Lass uns noch
einmal die neue Brustsalbe ausprobieren.“
Joan
folgte ihr achselzuckend aus dem Raum; zurück blieb ein sehr nachdenklicher
Robin Lamont.
*
„Das
ist der reinste Wahnsinn!“, rief Marion entsetzt aus, dabei starrte sie Robin
fassungslos an. „Du wirst kein Sterbenswörtchen über diesen Brunnen in
Edinburgh verraten. Hast du mich verstanden?“
„Aye,
aber Joan ist so verzweifelt. Ich fühle mich hin- und hergerissen zwischen
schlechtem Gewissen und Vernunft, weil ich weiß, dass es doch eine Möglichkeit
gibt, in die Zukunft zu gelangen.“
„Aber
das ist gefährlich, und ich will meine Tochter nicht verlieren!“
„Genau
dasselbe sagt Joan auch“, erwiderte Robin nüchtern. „Aus diesem Grund hab ich
dich um Rat gefragt, bevor ich ihr von dem Zeittunnel erzähle.“
Marion
eilte zur Tür und vergewisserte sich, dass sie verschlossen war. „Joan wird
nichts davon erfahren, hörst du? Und Ewan ... er wäre außer sich, wenn seine
Frau sich noch einmal auf eine so gewagte Reise begeben würde.“
„Und
wenn May stirbt? Können wir dann Joan noch mit reinem Gewissen in die Augen
sehen?“
Diesmal
zögerte Marion mit einer Antwort. Sie dachte an damals, als Joan nach Mays
Geburt fast verblutet wäre, hätte man sie nicht zum Broch gebracht. So
wie jetzt hatte sich Marion mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, doch ihr war
klar, dass sie nie wieder hätte glücklich sein können, wenn diese Chance vertan
gewesen wäre. Zweifellos wäre Ewan ein Witwer mit zwei Kindern geworden.
Erschöpft
fuhr sich Marion über die Augen. „Lass mich einen Tag darüber nachdenken, nur
einen Tag.“
„Aber
nicht länger, denn die Zeit drängt“, wandte Robin behutsam ein. „Es steht ja
gar nicht fest, ob der Brunnen noch besteht; Brigid reiste immerhin vor über
dreißig Jahren durch die Zeit. Möglicherw4eise ist der Brunnen längst
zugeschüttet.“
Marion
war sich nicht sicher, ob sie diese Aussicht erfreuen oder betrüben sollte, und
sie fühlte sich von ihren unterschiedlichen Empfindungen irritiert.
*
Nach
einem kurzen Besuch an Mays Krankenbett entschloss sich Marion, Joan von der
neuen Möglichkeit informieren zu lassen. Natürlich sollten auch die anderen
Wissenden bei der Unterredung anwesend sein.
„Joan“,
sagte Marion sanft zu ihrer Tochter, der man die Sorge um das Kind ansah.
„Bitte finde dich mit Ewan in einer halben Stunde in der Bibliothek ein; Robin
hat dir etwas mitzuteilen. Dòmhnall und ich werden ebenfalls dort sein ... es
ist sehr wichtig.“
Uninteressiert
zuckte Joan mit den Schultern. „Was kann schon wichtiger sein als das Leiden
meiner Tochter.“ Noch einmal tupfte sie den Schweiß von Mays Stirn, bevor sie
sich erhob, um Ewan – der sich glücklicherweise an diesem Tag
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