Die Ehre der MacLaughlins (German Edition)
große Schmerzen bereitete, obwohl das gar nicht stimmte. Aber es
war vorteilhaft, dass der Arzt darauf hingewiesen worden war, denn in wenigen
Tagen würde man die schottische Grenze erreichen und beim nächsten größeren
Waldstück sollte die Komödie beginnen.
Noch
immer war es klirrend kalt und die Soldaten wurden immer unzufriedener. Sie
wollten heim, denn in ihren Augen hatte die schottische Armee längst gesiegt –
auch wenn der englische König noch immer nicht gestürzt worden war. In blumigen
Reden versuchte Bonnie Prince Charlie die Männer zum Durchhalten zu überreden;
die Sasannach hätten angeblich Angst vor den mächtigen Schotten, denen
die Freiheit ihres Landes wichtiger war als ihr Leben.
„Angeber“,
murmelte Ewan, nachdem Mìcheal ihm von einer dieser Reden erzählte. „Er wird
der Erste sein, der nach Culloden flieht, während seine tapferen Soldaten den Sasannach ausgeliefert sein werden, falls sie die Schlacht überhaupt überleben sollten.“
„Lass
dir nur nichts anmerken.“ Mìcheal hob kurz die Plane an, um zu sehen, ob sich
jemand in der Nähe herumtrieb. Doch nur ein paar Marketenderinnen standen etwas
abseits und bemühten sich, ein Feuer zu entfachen, was bei dem eisigen Wind
nicht einfach war.
Màiri
und Joan befanden sich ebenfalls im Wagen. Jene Soldaten, die über kein Gefährt
verfügten, hatten sich für die Nacht geschützte Unterstände gebaut und wärmten
sich an kleinen Lagerfeuern, bevor sie vor Schwäche und Müdigkeit einschliefen.
Ewans
verletztes Bein lag ausgestreckt über der Felldecke, während sich der Rest
seines Körper darunter verbarg. Er fühlte sich nutzlos, denn er wollte sich
lieber wie seine Soldaten vorwärtsbewegen anstatt gefahren zu werden. Doch das
würde Joan nicht zulassen, denn er musste in Kürze den schwer Erkrankten
spielen. Dem sah er mit gemischten Gefühlen entgegen; sein einziger Trost war
Joan, und er war nun doch sehr froh, sie in seiner Nähe zu wissen.
„Wann
werden wir die Grenze erreichen?“ Mìcheal griff nach einem Lammfell und hüllte
sich darin ein. Seine Hände und Füße waren so kalt vom Tagesritt, dass er sie
kaum spürte und glaubte, dass sie erfroren waren.
Màiri
und Joan wussten es.
„Übermorgen
bei gleichbleibendem Tempo“, verkündete Màiri, die sich während des Feldzuges
angewöhnt hatte, meistens mit gesenkter Stimme zu reden. „Mr Lamont schlug vor,
unser kleines Schauspiel einige Tage später zu beginnen.“
„Hoffentlich
erklärt sich der Prinz damit einverstanden, dass unser Clan mit seinem
verletzten Führer zurückbleiben will“, sagte Joan und strich Ewan zärtlich über
seine Hand, die auf der Felldecke lag.
„Es
liegt an dir, Mìcheal, ihn zu überreden, denn sonst war alles umsonst und
unsere Männer werden bald sterben.“ Màiri sprach diese Worte mit ängstlicher
Miene. Zuviel konnte geschehen, was Robins Idee einen Strich durch die Rechnung
machen konnte.
Mìcheal
zog seine kleine zarte Gemahlin eng an sich. „Hab keine Angst, mo Ghràidh .
Ich werde nicht zulassen, dass auch nur ein Krieger der MacLauhglins oder
MacGannors mit dem Prinzen weiterzieht, während einer seiner Kommandanten wegen
einer Verletzung zurückbleiben muss.“
„Wenn
ich wollte“, warf Ewan mit spitzbübischem Grinsen ein, „könnte ich schon. Erst
gestern habe ich es probiert – und siehe da, das Bein lässt sich schon wieder
halbwegs belasten.“
„Wie
schön, das zu erfahren.“ Joan warf ihm einen warnenden Blick zu. „Lass dich
bloß nicht bei deinen Gehübungen erwischen.“
„Ich
meinte ja nur, dass ich könnte , wenn ich dürfte, aye?“
„Du
darfst aber nicht!“, riefen die drei anderen wie im Chor, sodass sich Ewan
umdrehte und sich mit beleidigter Miene die Decke über den Kopf zog.
*
Obwohl
sich Ewan von Tag zu Tag wohler fühlte – was zu einem großen Teil den
Medikamenten aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert zu verdanken war – musste er
den Leidenden spielen. Seine Frau, Màiri und Mìcheal setzten besorgte Mienen
auf, solange sie sich nicht im schützenden Wagen aufhielten.
Mittlerweile
hatten sie die schottische Grenze erreicht. Es war noch immer bitterkalt mit
unangenehmem Schneeregen, begleitet von einem schneidenden Ostwind; dies machte
den Soldaten das Vorankommen schwer. Einige legten sich einfach erschöpft an
den Wegesrand und starben ... vor Hunger oder an einer Lungenentzündung.
Diese
Situation bedrückte Joan ganz besonders. Bisher hatte der Clan weniger
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