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Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Titel: Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Pásztor
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offenen Fenster im Arbeitszimmer gegen ihre Holzrahmen schlagen. Ich schließe die Tür schnell wieder.
    »Darf ich Sie noch was fragen? Ich bin dann sofort weg.«
    »Fragen Sie.«
    »Dieses Meditationswochenende – wie sind Sie darauf gekommen, dass es was für mich ist? Ich hatte nicht den Eindruck, dass ich zur typischen Zielgruppe gehöre.«
    Irene sieht mich an, als müsse sie abwägen, ob dieses Fass besser noch verschlossen bleiben sollte, so zwischen Tür und Angel.
    »Ich fand, es könnte ein guter Auftakt für unseren Abschied sein«, sagt sie. »Langfristig vielleicht sogar eine echte Alternative.«
    »Was denn für ein Abschied?«, frage ich, und wieso lauter Wörter mit A, aber dann sehe ich sie überall, A wie Antwort, sie funkelt in den geschliffenen Steinchen an Irenes Brillenrand, sie sitzt in ihren tiefroten, freundlichen Mundwinkeln und wird von jedem einzelnen leeren Kleiderbügel an ihrer Garderobe bestätigt: Jawohl, das ist der Auftakt vom Abschied. Ich hebe beide Hände, als wüsste ich Bescheid, entscheide mich spontan fürs Beleidigtsein und sage »Okay, bin schon weg« und verschwinde ein weiteres Mal in dieser Woche von einer Bildfläche.

3.
    Als Kind war das meine Paraderolle, keiner konnte so gut wie ich einen tödlich getroffenen Gangster oder Cowboy spielen: der Griff ans Herz (optional: Kehle), das Röcheln, theatralisches Zusammensinken und Landung auf dem Boden, die, wenn es die Situation erforderte, auch schmerzhaft sein durfte, ein letztes Aufbäumen, Stöhnen, Zucken, Aus. Stille. Genau danach ist mir jetzt, als ich Irenes Praxis verlasse und mitten auf dem Bürgersteig stehen bleibe, ich teile den Strom der genervten Freitagabendpassanten wie ein Wellenbrecher und frage mich, ob mich wohl einer anrempeln oder umschubsen würde, wenn ich nur lange genug stehen bliebe, einer, dem solche wie ich im Weg sind, still stehende Frauen, denen gerade ihr Plan B abhandengekommen ist. Am Ende ist es ein älterer Herr, der vorsichtig meinen Arm berührt und sagt »Junge Frau, das ist doch kein Mann wert« und mir bewusst macht, dass ich neuerdings nicht nur schreie, sondern auch öffentlich rumheule, und ich setze mich langsam wieder in Bewegung, wahrscheinlich Richtung Zuhause, wir werden sehen.
    Ich gebe zu, es kommt nicht wirklich überraschend, dass Irene mich aus dem Nest werfen will, meinem behaglichen roten Nest, meinem sicheren Ort, an dem nicht alle Dinge beantwortet werden, aber doch von allen Seiten so weit beleuchtet, dass sie sich nicht mehr als schwarze Schatten auf mich legen können. Sie hat es mehrmals angedeutet, ich habe es beharrlich ignoriert, in der Hoffnung, sie würde es einfach vergessen, so wie man eine Idee wieder fallen lässt, deren richtiger Zeitpunkt sowieso niemals kommen wird. Ich bin doch noch längst nicht gesund, habe ich mal zu ihr gesagt, und sie hat geantwortet, Sie sind schon längst nicht mehr krank, Mila, und es ist an der Zeit, dass Sie herausfinden, wer Sie ohne Ihr Drama wären. Ohne mein Drama bin ich nichts, habe ich gesagt, es war einfach das Erste, was mir dazu einfiel, locker dahergeredet und nicht ernst gemeint, aber für Irene Anlass genug für einen Brillenrandblick und die Bemerkung, dann probieren Sie doch mal aus, wie es so ist als ein Nichts, vielleicht lebt es sich ja besser damit, als Sie glauben.
    Ganz klar eine Botschaft an mich, so sehe ich das jetzt: Runter vom Sofa und auf die Knie, Mila. Einen Augenblick lang fühle ich mich bei dieser Vorstellung so verlassen und gedemütigt, dass ich vor Selbstmitleid sterben könnte. Warum denn ausgerechnet jetzt, wo ich Irenes uneingeschränkten Beistand ohne Verfallsdatum brauche? Dann fällt mir ein, dass man jede Frage, die mit »Warum« beginnt, mit »Warum nicht« entschärfen kann, vielleicht war es sogar Irene selbst, die mir das gesagt hat, und das treibt mich aus meiner Weinerlichkeit heraus und sorgt dafür, dass ich mich beim vertrauten Anblick der Gemüsepyramiden vor meinem türkischen Supermarkt an der Ecke fürs Leben entscheide, jedenfalls vorläufig. Murat, der Chef, steht heute höchstpersönlich hinter der Fleischtheke und verliert vorübergehend die Fassung, als ich zwar auf seinen Gruß, aber nicht auf die Geste seiner Hand reagiere, die zärtlich und einladend über Lammfilets, Hähnchenkeulen und Hackbergen wedelt. Ich halte meinen Einkaufskorb für ihn hoch: eine Aubergine, eine Zucchini, eine dünne Lauchstange und eine Handvoll Kartoffeln, das Starterset für

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