Die Eingeschworenen Raubzug
haben in kurzer Zeit einen weiten Weg zurückgelegt.«
»Stimmt«, sagte ich, abwartend, worauf er hinauswollte.
»Mir scheint, du bist gezeichnet«, sprach er langsam weiter und ich sah ihn fragend an.
»Gezeichnet? Von wem?«
Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht von Odin. Aber auf jeden Fall gezeichnet. Und Einar weiß es.«
»Einar?« Jetzt verstand ich gar nichts mehr.
Er nahm mich beim Arm und wir blieben stehen, die anderen mussten um uns herumgehen und einige fluchten, weil sie aus dem Tritt kamen.
»Ich glaube, du bist Einars Verhängnis«, sagte er leise und eindringlich, wobei er sich nach allen Seiten umsah und wartete, bis die anderen außer Hörweite waren. »Seit du bei uns bist, verfolgt ihn das Pech.«
»Und das soll meine Schuld sein?«, fragte ich überrascht. Dann dachte ich, dass ich wusste, worauf es hinauslief. »Aber du und ich, wir sind zusammen auf die Elk gekommen. Warum solltest du nicht Einars Schicksal sein? Warum ich, Gunnar Raudi?«
»Daran habe ich auch gedacht«, erwiderte er ernst und so ehrlich, dass ich mich schämte, einen solchen Verdacht überhaupt gehabt zu haben. »Aber der weiße Bär war ein Zeichen … Einar ist wegen dir nach Björnshafen gesegelt, er nahm dich wegen des Bären an Bord. Ich weiß nicht, welcher Gott ihm sein Glück genommen hat, doch ich wette, es war Odin – und er hat dich als sein Werkzeug ausersehen.«
Das war natürlich Unsinn, doch konnte ich den Gedanken nicht loswerden, dass er mit seiner Rede etwas bezwecken wollte. Zunächst jedoch schüttelte ich den Kopf und lud mir mein Gepäck wieder auf.
»Einar glaubt es«, sagte Gunnar Raudi, und jetzt wusste ich, warum er mich angehalten hatte. Wir sahen uns an.
»Ach so?«
Er nickte.
Dann legte er mir die Hand auf die Schulter. »Jetzt sollten wir uns beeilen, Orm, mein Junge, oder wir bleiben zu weit zurück.«
Gegen Abend erreichten wir eine Wiese, noch waren die Halme gelb und verdorrt, aber darunter zeigte sich schon das frische Grün. Als die ersten Sterne erschienen, tauchten auch wieder Steinthor und Großnase auf, die anscheinend weit vorausgelaufen waren.
»Wir haben Rinder gesehen«, sagte Großnase zu Einar.
»Einen Stier und drei Milchkühe«, fügte Steinthor hinzu.
»Und einen blonden Jungen, der sie hütet«, schloss Großnase.
»Hat er euch gesehen?«, fragte Einar, was die beiden nur mit einem spöttischen Blick beantworteten. Er strich sich den Bart und verkündete dann, wir würden in der kleinen, von Bäumen gesäumten Senke übernachten, die wir eben hinter uns gelassen hatten. Wir würden nur ein Feuer zum Kochen machen, am tiefsten Punkt, wo man es nicht sehen würde.
Später, als wir gegessen hatten, rief er mich zu sich ans Feuer. Er hatte seine Getreuen bei sich: Gunnar Raudi, Ketil Krähe, Skapti und Illugi Godi.
Sein Gesicht, umrahmt von den schwarzen Haaren, wirkte im Feuerschein so ernst wie ein Grab. »Orm«, sagte er, »sag mir die Wahrheit. Ist Hild klar genug im Kopf, dass man ihr zutrauen kann, ihren Leuten glaubhaft zu machen, dass wir nicht in böser Absicht kommen?«
Ich dachte nach und bemerkte dabei, dass ich mein Kinn rieb, genau wie mein Vater – und stellte fest, dass es dort langsam, aber sicher etwas zu reiben gab. Ich dachte nicht über den Inhalt dieser Frage nach – natürlich hatte
Hild genug Verstand, um das zu tun –, sondern darüber, was er mit dieser Frage bezweckte.
Es bedeutete, so weit ich es beurteilen konnte, dass Einar die Dorfbewohner fürchtete, und das war verständlich. Schließlich hatten sie Vigfus’ Mannschaft vertrieben, also waren sie vermutlich Kämpfer, die man ernst nehmen musste. Es bedeutete auch, dass er hoffte, die Dorfbewohner auf unsere Seite zu ziehen. Wenn nicht, würde er das Dorf im Schutz der Dunkelheit auslöschen, schnell und gründlich.
Genau dasselbe hätte ich auch getan.
Ich sagte ihm, das Problem sei nicht so sehr, dass Hild nicht dazu imstande wäre, sondern eher, dass ich nicht glaubte, sie würde es tun, weil sie hier ihrer eigenen Bestimmung folgen musste und aus diesem Grund in die Schmiede wollte. Und dass ich glaubte, unsere einzige Hoffnung, je das Ende der Straße der Wale zu erreichen, bestehe darin, dass Hild weiterhin bei uns blieb.
Und damit wären die guten Leute von Koksalmi sicher nicht einverstanden.
»Denkst du, sie würden Hild eher töten?«, fragte Einar. Ich nickte. Skapti gab ein dröhnendes Brummen von sich und spuckte ins Feuer.
»Woher willst du das
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