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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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mal jemand hilft? Bis zu achtundzwanzig Wochen für einen Termin. Sechs Monate. Haben Sie eine Ahnung, was einem in der Zeit alles passieren kann? Wissen Sie, wie leicht es ist, auf der Straße zu sterben? Das dauert keine sechs Monate. Ich bin jedes Mal durch die Hölle gegangen, aber immer wieder zu den Drogen zurückgekehrt. Ganz gleich, wie stark Sie sind, Heroin ist letzten Endes stärker. Es hockt in Ihrem Kopf und lässt Sie nicht mehr aus den Klauen. Ich weiß, Diane würde versuchen, mich davon loszueisen, aber damit könnte ich nicht umgehen. Keine von uns beiden würde damit fertig werden.«
    Cooper schwieg. Trotz der offensichtlichen Show, die sie vor
ihm abzog, gewann langsam das Gefühl die Oberhand, dass Angie Fry im Großen und Ganzen die Wahrheit sagte. Er war zwar noch nicht vollkommen überzeugt, aber die Zweifel wurden weniger.
    »Ich bin immer noch nicht sicher, ob ich nicht auf der Stelle Diane anrufen und ihr sagen sollte, dass Sie hier sind«, antwortete er schließlich.
    »Man hat mir gesagt, Sie sind Dianes Freund. Wenn Sie was übrig haben für sie, dann lassen Sie das nicht zu. Verhindern Sie, dass ich wieder in ihr Leben trete.«
    Cooper schüttelte den Kopf. »Ich denke, ich kann da nichts machen. Leider.«
    »Sie macht sich falsche Hoffnungen, sehen Sie das denn nicht?«, erwiderte Angie aufbrausend, was Cooper bekannt vorkam. »Diane hat Erwartungen, denen ich nie entsprechen kann. Ganz im Gegenteil. Wenn sie die Wahrheit über mein Leben herausfinden würde, würde sie sich so für ihre Schwester schämen, dass es ihr den Boden unter den Füßen wegzieht. Dianes Gefühl von Sicherheit war immer schon leicht zu erschüttern. Sie musste sich schon immer an etwas festhalten, um sich in dieser Welt sicher zu fühlen.« Angie machte eine Pause und warf Cooper unter Tränen ein herausforderndes Lächeln zu. »Was haben Sie vorhin gesagt? Menschen verändern sich in fünfzehn Jahren?«
    Genau das wollte Cooper sagen, aber er ahnte, dass Angie Recht hatte. Sie bestätigte den Eindruck, den er von Diane hatte. Er hatte immer vermutet, dass sie ihre unterschwellige Angst kaum dadurch zu unterdrücken vermochte, dass sie sich an den stabilen Eckpfeilern ihres Lebens festhielt – an ihrer Arbeit und an ihrem beruflichen Ehrgeiz. Und an den Erinnerungen an ihre Schwester.
    »Sind Sie momentan auf Drogen?«, fragte Cooper.
    Angie Fry bedachte ihn mit ihrem trägen, traurigen Lächeln, aber gleichzeitig blitzte Verschlagenheit in ihren Augen auf. Er
sah ihr an, dass sie überlegte, welche Lügen sie ihm jetzt auftischen sollte.
    »Das verrate ich Ihnen besser nicht«, meinte sie. »Schließlich sind Sie Polizist. Ich würde ungern Ihre Prinzipien untergraben.«
    Und Cooper wusste, dass sie Recht hatte. Wenn Angie im Augenblick Heroin intus hatte, käme er in Schwierigkeiten. Wenn sie sich hier in seiner Wohnung einen Schuss setzen musste, wollte er nichts davon wissen. Er wollte keine Stellung beziehen müssen.
    Trotzdem betrachtete er automatisch ihre Augen, ein Reflex aus seiner Ausbildung. Natürlich bemerkte Angie dies und erwiderte mit unverhohlener Herausforderung seinen Blick.
    »Rote Augen, das heißt Dope«, erklärte sie. »Erweiterte Pupillen bedeuten Amphetamine. Aber Winzpupillen – dann ist es Heroin.«
    Cooper hielt ihrem Blick stand. Aber irgendetwas schien mit seiner Beobachtungsgabe nicht zu stimmen. In Angies Augen konnte er nicht eines der Symptome für Drogenmissbrauch erkennen. Alles, was er sah, als er tief in die Augen von Dianes älterer Schwester blickte, waren Schmerz und Einsamkeit. Und dahinter ein kurzes Aufflackern, das ihn mitten ins Herz traf.
    Er sah, wie sie ihren Rucksack vom Boden aufhob. »Wo bleiben Sie heute Nacht?«
    Sie richtete sich auf, strich sich das Haar aus der Stirn und lächelte ihn an. »Keine Ahnung. Können Sie mir hier in der Nähe einen guten Ladeneingang empfehlen? Ich habe einen Schlafsack.«
    »Sie sind obdachlos?«
    »Ich lebe auf der Straße. Was hatten Sie denn gedacht? Dass ich in einem kuscheligen kleinen Hotel mit Zimmerservice und Bad logiere?«
    »Haben Sie denn kein Geld?«

    »Ich hatte heute noch keine Gelegenheit, mir welches zu besorgen.«
    »Wie machen Sie das normalerweise?«
    »Was denken Sie?«
    Er hoffte, sie meinte Betteln damit, aber er wollte sie lieber nicht weiter bedrängen. »Sie sollten nicht auf der Straße schlafen, Angie.«
    »Was Sie nicht sagen.«
    »Das ist nicht sicher.«
    »So? Was werden Sie dagegen tun,

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