Die einsamen Toten
gesagt? Aber wieso?«
»Ich bin sicher, er wollte uns damit helfen. Er will, dass wir denjenigen finden, der Neil umgebracht hat, und nicht, dass wir unsere Zeit mit unwichtigen Dingen verschwenden.«
Aber Fran hatte sich von ihrer Überraschung noch nicht erholt.
»Oh, das tut mir Leid«, sagte Cooper. »Habe ich Ihnen Ihre Enthüllung vermasselt?«
Er bereute seinen Tonfall sofort, als ihre Lippen sich geringschätzig verzogen. Womöglich hatte er damit seine einzige Chance vertan, einem der Oxleys freiwillig eine Information zu entlocken.
»Ich würde sagen, Sie gehen jetzt besser«, sagte sie. »Ich kann Ihnen nichts mehr sagen, das Sie nicht schon wissen.«
»Da ist noch etwas«, sagte Cooper, als sie aufstand, um ihn hinauszubegleiten.
»Ja?«
»Was ist mit Craig?«
Fran blieb reglos stehen. »Craig?«
»Ist er Ihr Bruder? Oder noch ein Cousin?«
Sie starrte ihn sprachlos an. Cooper wusste, dass er auf etwas gestoßen war. Aber würde sie es ihm sagen? Er riskierte es.
»Kommen Sie, Fran. Erzählen Sie mir von Craig.«
Sie ging weiter zur Tür, und Cooper glaubte, seine Chance verspielt zu haben. Aber dann drehte Fran sich um. Ihre Augen glänzten verdächtig, und auch ihre Stimme klang höher, als sie zu erzählen begann. Sie hatte wohl erst etwas räumliche Distanz zwischen sich und Cooper legen müssen, um ihrem Ärger Ausdruck zu verleihen.
»Sie wollen was über Craig wissen?«, fragte sie. »Na, dann werde ich Ihnen was über Craig erzählen. Er brachte sich in Schwierigkeiten und endete vor Gericht. Das ist vorher schon mal passiert, aber dieses Mal war es ernst. Als sie ihn verurteilten, hätte er in eine kommunale Sicherungsverwahrung kommen sollen, aber es gab keine Plätze mehr. Sie sagten, wegen der vielen jugendlichen Straftäter müssten sie hart durchgreifen, und deswegen wären alle Haftanstalten voll.«
»Und so schickten sie ihn in die Jugendstrafanstalt nach Hindley«, fügte Cooper hinzu.
»Ja. Aber dort ist er nicht mehr.«
»Er ist draußen? Wohin ist er gegangen?«
Fran wandte ihr Gesicht ab und antwortete nicht sofort.
»Er ist wieder hier in Withens«, sagte sie.
Cooper runzelte die Stirn. Hielten die Oxleys Craig hier versteckt?
»In dem Fall muss ich mit ihm sprechen«, sagte er.
»Ja? Wenn Sie übersinnliche Fähigkeiten besitzen, nur zu. Aber sonst verschwenden Sie Ihre Zeit.«
Cooper spürte Enttäuschung aufsteigen. »Wie meinen Sie das, Fran?«
»Wenn, dann müssen Sie auf den Friedhof gehen.«
Frans Versuch, gleichgültig zu wirken, schlug fehl. Ihr Gesicht rötete sich, und Cooper sah ihr an, welche Anstrengung es sie kostete, die Tränen zurückzuhalten.
»Craig hat es in Hindley nicht ausgehalten«, sagte sie. »Er sah für sich keine Möglichkeit mehr, je wieder da rauszukommen. Er fühlte sich von dem System für ein Leben im Knast abgestempelt. Und am schlimmsten für ihn war, dass er nicht damit zurechtkam, so lange von seiner Familie getrennt und unter Fremden zu sein. Er konnte mit keinem reden und ihm erzählen, was in ihm vor sich ging. Er wurde zwar überwacht, aber das reichte nicht. Schließlich hat er sich in seiner Zelle erhängt. Er war nicht der Erste, wie man uns sagte. Und ich schätze, er wird auch nicht der Letzte sein.«
Diane Fry und Gavin Murfin waren schon fast zu Hause, als Fry auf ihrem Handy einen Anruf von Sarah Renshaw entgegennahm. Es war fast so, als hätten sie gewusst, dass sie an sie dachte. Es war schon ziemlich spät, aber sie hatte den Renshaws ihre Nummer gegeben für den Fall, dass ihnen etwas Nützliches einfiel. Und als Sarah sich meldete, hörte sie sich fast panisch an.
»Wir vermissen einen Teddy«, schluchzte sie.
»Was?«
»Einer von Emmas Teddybären fehlt.«
Fry starrte Murfin verblüfft an. Eine sehr bizarre Wendung, sogar für Sarah Renshaw. Murfin beugte sich näher zu Fry hinüber, um den Anruf mitzuhören, und der Wagen schlingerte in Richtung Straßenmitte. Aber um diese nachtschlafende Zeit war es ruhig, nur wenige Autos waren unterwegs.
»Ich glaube nicht, dass ich Ihnen da helfen kann, Mrs Renshaw«, sagte Fry.
»Aber wo ist er?«
»Ist das so wichtig? Es ist doch nur ein Teddybär. Sie haben doch noch mehr davon.«
»Ja, aber das war ein ganz besonderer Bär«, erklärte Sarah. »Wir haben ihn gesucht, weil wir ihn an unserem Emma-Tag mit ausstellen wollten, aber er ist weg.«
Fry seufzte. Noch ein ganz besonderer Bär. Der Erste, den die Eltern ihr geschenkt hatten, saß
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