Die einsamen Toten
fortfahren und so tun, als sei alles in Ordnung. Dann konnte er es anderen überlassen, Ordnung in das Chaos zu bringen.
Als er in nördlicher Richtung durch das Dorf fuhr und dabei in die Nähe der Waterloo Terrace kam, hielt er Ausschau nach seinem Onkel und seinen Cousins, konnte aber niemanden entdecken. Philip lächelte. Er wusste, dass Reverend Alton dem Klang seines Motorrads entnehmen konnte, wohin er fuhr, aber das war ihm egal. Schließlich gab es nur einen Ort, den er ansteuern konnte, wenn er in dieser Richtung das Dorf verließ.
Als Michael Dearden mit der Inspektion der Schlösser und Riegel an den Türen des Hauses fertig war, wandte er sich den Fenstern zu. Es gab viele Fenster in Shepley Head Lodge, manche davon in so abgelegenen Winkeln, dass sie leicht von außen zu erreichen waren, ohne dass es jemand bemerkt hätte. Irgendwann würde er das eine oder andere Fenster zunageln müssen.
Gails Meinung nach war es unlogisch, dass er morgens nach dem Aufstehen sofort die Sicherheitsvorkehrungen im Haus überprüfte, nachdem er erst abends vor dem Zubettgehen nachgesehen hatte. Sie hielt das für zwanghaft. Aber Gail hatte ja keine Ahnung. Wenn ihre Sicherheitsvorkehrungen nachts Schaden erlitten hatten, war es überlebenswichtig, es sofort zu wissen. Man musste Beweismaterial sammeln und den Tatort bis zum Eintreffen der Polizei absichern. Natürlich würde die
Polizei nicht kommen. Aber wenigstens würde man ihm keine Vorwürfe machen können, sich nicht an die Regeln gehalten zu haben.
So hatte Dearden sich angewöhnt, frühmorgens noch vor allem anderen seine Runde zu drehen. Vor allem, bevor Gail anfing, im Haus herumzugeistern, und unwissentlich eventuelle Beweise vernichtete.
Wenn Dearden sich zu seiner Zufriedenheit davon überzeugt hatte, dass während der Nacht nicht eingebrochen worden war, ging er nach draußen. Da das Haus etwas erhöht lag, hatte er einen guten Blick auf die vordere Zufahrt, die von der Straße abzweigte. An diesem Morgen war kein Mensch zu sehen. Der Postbote würde später kommen, das heißt, wenn er überhaupt kam. Dearden hatte sich vor einiger Zeit mal erkundigt, ob es möglich wäre, die letzten hundert Meter der Straße von Withens zu kaufen und zu sperren. Die Straße befand sich nicht im Besitz der Straßenbehörden und war folglich keine offizielle Straße. Aber es hatte sich herausgestellt, dass genau dieser Abschnitt dem Farmer gehörte, der das Land auf der anderen Seite besaß, und dieser Bauer wollte nichts davon hören, als Dearden das Thema zur Sprache brachte.
Das große Problem war der rückwärtige Teil des Hauses mit dem Hof und den Nebengebäuden, die sich an den Hang duckten. Dearden war sicher, dass sie auf diesem Weg gekommen waren, wann immer sie sein Anwesen überfallen hatten. Zur Bergseite hin war das Haus zwar mit Mauern abgesichert, aber die waren schon schief und altersschwach und stellten für keinen, der es ernsthaft versuchte, ein Hindernis dar.
Dearden ging in den Hof hinaus und wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Jemand hatte die Abfalltonnen umgeworfen und den ganzen Müll über seinen Hof verstreut.
»Mr Dearden?«
Dearden zuckte vor Schreck zusammen.Wie konnte ihm nur die Person entgangen sein, die neben dem Seitentor stand?
»Wie kommen Sie hierher?«
»Mit meinem Motorrad.«
»Welchem Motorrad?«
»Es ist dort, hinter der Mauer.«
Das Motorrad auf der anderen Seite der Steinmauer war nicht zu sehen. Dearden wurde klar, dass es womöglich ein Fehler war, nur nach Autos auf der Straße Ausschau zu halten.
»Was machen Sie hier?«
»Wissen Sie, wer ich bin? Ich bin Philip Granger.«
»Ja. Das war Ihr Bruder, der umgebracht wurde. Alex kannte ihn.«
»Das stimmt.«
Dearden wusste einen Moment nicht, was er sagen sollte. Dann fiel sein Blick auf die lederne Motorradkluft und die schwarzen Haare des jungen Mannes.
»Sie sind mit den Oxleys verwandt, richtig?«
»Lucas ist mein Onkel«, erwiderte Philip.
»Ich gebe Ihnen zwei Minuten, von meinem Grundstück zu verschwinden.«
»Wie bitte?«
Dearden deutete auf die umgekippte Abfalltonne. »Wissen Sie was darüber? Waren Sie letzte Nacht mit Ihren Vettern hier?«
»Nein. Ich -«
»Ich will Sie hier nicht sehen. Ihre Familie macht nichts als Ärger.«
»Ich wollte doch nur sagen -«
»Jetzt haben Sie noch eine Minute.«
»Okay, okay, ich bin ja schon weg.«
Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete Dearden, wie Philip sein Motorrad startete und
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