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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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-mittagessen. Für die Kinder hatte man einen Kurzgeschichtenwettbewerb und einen Umzug veranstaltet und eine Hüpfburg aufgestellt. Anderswo waren das Attribute kirchlicher Feste.
    In Zeiten wie diesen hatte Alton das Gefühl, gegen mehr als gegen die haltlos wuchernden Nesseln und Farne in seinem Friedhof anzukämpfen. Hin und wieder schien sich ein dunkler Schatten über die Realität seines Alltags zu legen. Dann sah er sich selbst gegen Dinge ankämpfen, die ebenso heimtückisch, hartnäckig und ebenso schwer zu besiegen waren.
    Alton hielt den Stock vor sein Gesicht und betrachtete blinzelnd die Spitze. Der Fleck auf dem Holz war dunkel und tief in die Maserung des Schwarzdorns eingedrungen. Seine Form glich der Karte von Derbyshire – ein längliches Rinnsal, das sich gegen Norden hin erstreckte und dort in einen größeren Fleck an der Grenze zu Yorkshire mündete. Der Vergleich gefiel ihm, und er nickte zufrieden. Irgendwo in diesem Fleck, in diesem Grenzland, befand sich das Dorf Withens, ein verlorener und vergessener Punkt, umgeben von Meilen von leerem Torfmoor. Und am Rand des Dorfes befand sich St. Asaph, das allmählich von Unterholz überwuchert wurde wie der ausgebrannte Ford Fiesta auf dem Seitenstreifen oben an der Straße. In den meisten Ortschaften des Peak Districts gab es ein Komitee zur Verschönerung des Ortes, dessen oberstes Ziel es war, den Preis für das schönste Dorf zu gewinnen. Dort hätte keiner Ruhe gegeben, ehe nicht das Autowrack entfernt
oder der Friedhof gesäubert worden wäre. Aber nicht hier in Withens.
    Alle Mitglieder von Altons Gemeinde waren entweder alt oder seltsam. Oder beides. Gottesdienste fanden in St. Asaph nur jeden zweiten Sonntag statt. Die meisten älteren Bewohner der Bungalows kamen, und einige Leute legten sogar den Weg von Hey Bridge zurück. Aber viele waren es nicht. Für die moderne Generation war bereits die Teilnahme an einem Gottesdienst Grund genug, misstrauisch zu sein. Zu bekennen, man sei Christ, war in etwa so, als würde man ein soziales Problem eingestehen.
    Aber allein der Kirchgang machte noch keinen Christen aus einem Menschen.
    Manchmal empfand Alton Mitleid mit dem Heiligen, der St. Asaph den Namen gab. Um seinen Herrn zu wärmen, hatte er glühende Kohlen in seinem Mantel getragen, ohne dabei sich oder seine Gewänder zu verbrennen. Der Beweis für seine Heiligkeit. Zumindest hieß es so. Aber glühende Kohlen herumzuschleppen war eigentlich kein Grund, dass man sich an jemanden erinnerte. Manche Leute hätten das sogar für riskant gehalten.
    Aber wenn jemand, der nicht ganz so heilig war, versuchte, diese glühenden Kohlen zu tragen, würde er sich sicher verbrennen.
     
     
    Ben Cooper ließ seinen Blick die Straße hinauf und über die Waterloo Terrace wandern. Eigentlich hatte er vorgehabt, in der Kirche von Withens vorbeizuschauen und Reverend Alton einige Fragen zu den Border Rats zu stellen. Vielleicht konnte er sich auch das Grab von Craig Oxley ansehen. Das heißt, falls er tatsächlich in St. Asaph begraben war. Cooper hatte allmählich das Gefühl, dass er jede Information, die er von jemandem aus Withens erhielt, zur Sicherheit noch einmal überprüfen musste.

    Aber vor dem Quiet Sheperd waren ihm ein paar Fahrzeuge aufgefallen; und vor den Toren der Steingarage, wo er die mit Lehm bestrichenen Holzbretter gesehen hatte, standen Leute herum. Was wohl jetzt wieder im Pub vor sich ging? Wenn er es wissen wollte, musste er hinübergehen.
    Erst als er die Körbe mit Blumen sah, die aus den Autos getragen wurden, dazu die Blütenblätter, die in den Lehm gedrückt wurden, begriff Cooper, was er bei seinem letzten Besuch dort gesehen hatte. Wie viele andere Einheimische auch, hatte er sich zwar jahrelang an ihrem Anblick erfreut, aber sich nie Gedanken darüber gemacht, wie diese Schmuckbretter zustande kamen.
    Er erkannte Marion Oxley, die ihn finster anstarrte, aber weiter fortfuhr, einzelne, mit schwarzen Kaffeebohnen umrandete Flächen mit den blauen Blütenblättern der Hortensie aufzufüllen.
    »Ah, Sie machen den Brunnenschmuck«, sagte Cooper.
    »Stimmt genau.«
    Mit einem scharfen Gegenstand hatte man Umrisse in die Lehmschicht auf den Brettern geritzt, wahrscheinlich mit einer der Stricknadeln, die daneben auf einem Tisch lagen. Anschlie ßend hatte man das Muster mit Stechginster, Vogelbeeren, Erlenzapfen, mit Moos, Rinde und Flechten ausgelegt. Zuletzt kamen die Blütenblätter. Das Bild wurde von unten nach oben

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