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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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Stein festgesaugt hatten. Man konnte noch immer die kleinen weißen Punkte sehen, wo der Efeu Halt gesucht hatte.
    Aber wer immer den Efeu zurückgeschnitten hatte, hatte sich nicht die Mühe gemacht, auch die Ranken zu entfernen, die in den Spalten zwischen den Dachziegeln wuchsen. Vom nährenden Stamm abgeschnitten, hatten sie sich schwarz verfärbt und waren vertrocknet; einige standen senkrecht in die Luft. Cooper vermutete, dass sich die Dachziegel gelockert hätten, hätte man versucht, sie herauszuziehen. Und so befand sich jetzt ein kleiner, erstarrter Wald oben auf dem Dach.
    Weiter unten an der Mauer war der Efeu natürlich nachgewachsen. Hellgrüne Triebe kletterten das Mauerwerk empor und bahnten sich Zentimeter für Zentimeter den Weg zurück zur Regenrinne. Den Spuren auf den Backsteinen konnte Cooper entnehmen, dass die Pflanzen nach dem Schneiden bereits dreißig Zentimeter nachgewachsen waren. Das war der Lauf der Natur. Sie hielt nie inne, und letzten Endes gewann sie immer. Und sei es nur aus reiner Hartnäckigkeit.
     
    Derek Alton saß auf einer der vorderen Bankreihen in der Kirche. Als Cooper den Mittelgang entlangkam, sah er nur den nach vorne gesunkenen Kopf des Pfarrers und nahm an, dass er betete. Alton blickte auf, als er Coopers Schritte hörte.
    »Ist es weg?«, fragte er.
    »Sie meinen die sterblichen Überreste? Nein, Sir. Es müssen bestimmte Vorkehrungen getroffen werden, solange sie sich noch in situ, das heißt, in ihrer ursprünglichen Lage befinden.«
    »Fotos, nehme ich an.«
    »Ja, solche Dinge.«
    »Ich will das nicht noch mal sehen. Ich komme erst wieder raus, wenn das alles fort ist.«

    »Das ist kein Problem, Sir.«
    »Ich bin ein richtiger Jona, wie?«, sagte Alton.
    »Jona? Ich bin zwar nicht so vertraut mit dem Alten Testament wie Sie, aber ist das nicht derjenige, der von dem Wal verschluckt wurde?«
    Alton lächelte. »Jona hatte großes Pech. Er wurde zum Symbol eines Menschen, der anderen Unglück bringt. Hatten Seeleute Probleme auf hoher See, dann lag das ihrer Meinung nach daran, dass sie einen Jona, also einen Unglücksraben, an Bord hatten.«
    »Das klingt aus Ihrem Mund aber sehr abergläubisch, Sir.«
    »Ich fürchte, in dieser Gegend hier ist es schwer, dem Aberglauben zu entgehen. Er ist ansteckend.«
    »Un wieso halten Sie sich für einen Jona?«
    »Wieso? Neil Granger stirbt einen schrecklichen Tod, kurz nachdem er mich verlässt. Und jetzt entdecke ich, dass noch andere arme Seelen tot auf meinem Friedhof liegen, und das seit Jahren schon. Und ich habe sie durch mein Eingreifen aufgeschreckt. Wie oft bin ich über ihre Knochen hinweggelaufen. Auch Neil muss über sie gelaufen sein, als er an dem Abend ging. Auf dem Weg zu seinem eigenen Tod ist er über diese Knochen gegangen, ohne sie zu sehen.«
    Alton schüttelte sich. Cooper überlegte, ob er einige tröstende Worte sprechen sollte, nach dem Motto, dass der Körper nur das Gefäß sei und dass der Geist sich zu besseren Gefilden aufschwingen würde, kam aber zu dem Schluss, dass dies nicht angebracht war. Eher hätte sich ein Arzt den Pfarrer ansehen sollen.
    »Ich muss Sie das fragen … Wir haben menschliche Überreste in Ihrem Friedhof gefunden. Haben Sie irgendeine Vorstellung, wer das sein könnte?«
    »Nicht die Geringste«, erwiderte Alton und blickte schockiert zu Cooper hoch. »Die liegen doch sicher schon länger hier in der Erde, lange vor meiner Zeit, oder?«

    »Das wissen wir noch nicht. Je nach Bedingungen kann ein Toter ziemlich schnell zum Skelett werden.«
    »Ach, ich glaube, das will ich gar nicht so genau wissen«, sagte Alton. »Ich wünschte, Sie hätten mir das nicht gesagt.«
    »Es tut mir wirklich Leid, Sie damit zu belästigen, Sir. Aber wenn Ihnen irgendetwas einfällt, das uns helfen könnte, diese Person zu identifizieren, wäre das äußerst hilfreich.«
    »Selbstverständlich. Aber im Augenblick …«
    »Ich verstehe. Wir werden Sie jedoch bitten müssen, irgendwann in nächster Zeit zu uns zu kommen und Ihre Aussage zu machen. In der Zwischenzeit hat man Ihre Frau verständigt, und sie ist auf dem Weg hierher.«
    »Ich bin bald wieder in Ordnung. Ich bin an diese Art von Schock einfach nicht gewöhnt. Nicht einmal in Withens. Sie wollen eine Aussage von mir? Ich weiß aber nicht, was ich Ihnen sagen soll.«
    »Hatten Sie einen bestimmten Grund, weshalb Sie sich entschieden, ausgerechnet diesen Teil des Friedhofs zu säubern?«, fragte Cooper.
    »Wie meinen Sie

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