Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
Vom Netzwerk:
anderer den Profit ab, indem er mit den Vorräten knauserte, nur den billigsten Fraß einkaufte und die Arbeiten schlampig und hastig ausführte. Sie können sich das vorstellen.«
    »Ja. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert.«
    »Also, einer der schlimmsten Subunternehmer war ein Mann namens Nathan Pidcock. Er stammte hier aus der Gegend und leitete eine Speditionsfirma in Tintwistle. Er ließ sich die Gelegenheit natürlich nicht entgehen, bei dem Tunnelprojekt dabei zu sein, da hier ein Riesenreibach zu erwarten war. Und nach allem, was man so hörte, waren seine Geschäfte tatsächlich äußerst lukrativ. Die Nahrungsmittel, die er lieferte, waren verfault, das Wasser verschmutzt und das Material mangelhaft. Und das alles zu weit überhöhten Preisen. Irgendwann muss er jedoch mal zu weit gegangen sein. Für den Ausbruch der Cholera wurde durch menschliche Abwässer verseuchtes Wasser verantwortlich gemacht. Innerhalb weniger Tage starben Dutzende von Männern. Und eines Morgens wurde Nathan Pidcock tot in einem Graben am Rand des Lagers aufgefunden. Man hatte ihn erschlagen.«
    »Gab es denn keine Verdächtigen?«
    »Verdächtige?« Udall lachte. »Das ist die typische Frage eines Polizeibeamten des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Klar, es gab fünfhundert davon. Es heißt, eine Gruppe von Bauarbeitern soll beschlossen haben, sich für den Tod ihrer Kameraden an Pidcock zu rächen und Selbstjustiz zu üben. Die übrigen
Männer im Lager haben mit Sicherheit davon gewusst, aber den Mund gehalten. Und die Behörden waren hilflos.«
    »Also eine Verschwörung des Schweigens?«
    »Ich schätze, heutzutage hätten wir mit einem Massen-DNS-Test darauf reagiert.«
    »Nur wenn Blut oder Spuren anderer Körperflüssigkeiten der Angreifer am Tatort oder Pidcocks Blut an ihrer Kleidung gewesen wären. Aber grundsätzlich haben Sie Recht. Ganz sicher wären kriminaltechnische Untersuchungen eingeleitet worden.«
    »Einen Zeugen gab es jedoch«, fuhr Udall fort. »Nathan Pidcock hatte einen jungen Assistenten, einen Burschen namens John Cobb. Er half bei den Lieferungen in das Lager. Er war damals erst vierzehn Jahre alt, und die Täter verschonten ihn.«
    »Konnte Cobb denn keinen identifizieren?«
    »Nein. Er hat alles mit angesehen, konnte aber keinen der Angreifer seines Arbeitgebers benennen. Er erzählte eine abenteuerliche Geschichte, wonach sie alle verkleidet gewesen wären. Sie hätten alle ihre Gesichter geschwärzt.«
    Cooper war nicht sonderlich überrascht. Die Kontinuität schien ungebrochen, eine über Generationen überlieferte Tradition. Vielleicht waren die Oxleys direkte Nachfahren jener Eisenbahnarbeiter, die beim Bau der Tunnel elend verreckt waren. Vielleicht hatten ihre Vorfahren in der Barackensiedlung gehaust, deren Existenz das Dorf wie ein schmutziges kleines Geheimnis hütete.
    Dabei musste er an den Fluch denken, den Sandy Norton im Zusammenhang mit den Tunneln erwähnt hatte. Diese Arbeiter waren zu Recht abergläubisch gewesen. Durch den Bau der Tunnel waren sie tatsächlich mit einem Fluch belegt worden. Aber es war keine urzeitliche Kraft gewesen, die seit Äonen im Berg schlummerte und die sie durch ihre Sprengungen aufgeschreckt hatten. Das Übel war menschlicher Natur. Es waren Habsucht und Gier gewesen.

30
    D ie zweite Begegnung Ben Coopers mit seiner neuen Nachbarin fand wieder auf neutralem Boden statt. Er war gerade nach Hause gekommen und tastete seine Taschen nach dem Hausschlüssel ab. Er hatte einen harten Tag hinter sich, und noch immer schwirrten ihm Bruchstücke von Gesprächen und Bilder der jungen Oxleys durch den Kopf, denen er keine Namen zuordnen konnte.
    Gerade als er seinen Schlüssel zu greifen bekam, öffnete sich die Tür zu der anderen Wohnung. Kurz fragte er sich, ob Peggy Check gelauscht und auf sein Kommen gewartet hatte. Wenn Dorothy Shelley der einzige Mensch war, den sie in Edendale kannte, hatte sie sicher Sehnsucht nach normalem menschlichem Kontakt. Cooper fühlte sich auf der Stelle schuldig, nicht von sich aus größere Anstrengungen unternommen zu haben und auf sie zugegangen zu sein.
    »Hallo, wie geht es Ihnen?«, fragte er.
    »Wunderbar, danke. Und Ihnen?«
    Cooper wusste, dass er am Ende eines langen Schichtdienstes nicht unbedingt mehr der Frischeste war, unrasiert und mit zerknitterter Kleidung.
    »Gut. Tut mir Leid, ich komme gerade von der Arbeit.«
    Als er die Tür aufsperrte, war er immer noch leicht verlegen. Womöglich roch er auch

Weitere Kostenlose Bücher