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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
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komme mir vor wie die Waage in Onkel Sergeis Labor. Jeder neue Gedanke, der mir durch den Kopf schießt, legt auf der einen oder auf der anderen Seite ein Gewicht auf. Einmal neigt sich diese Seite nach unten, einmal die andere, doch nie hält die Waage in meinem Kopf still. Nie bleibt eine Seite eindeutig oben.
    »Wie soll ich dir denn glauben, Onkel Antonio?«, frage ich kläglich. »Wenn es ein schreckliches Geheimnis in Little Cam gäbe, von dem ich nichts weiß, würdest du es mir doch sagen.«
    »Ich erfinde das alles nicht, Pia.« Er spricht leise. »Und das weißt du. Du leugnest etwas gegen dein besseres Wissen.«
    »Ich leugne gar nichts, weil ich nicht weiß, was ich leugnen könnte! Du sagst es mir ja nicht!«
    Er versinkt in Schweigen. In seinem Blick spiegeln sich Enttäuschung und Sorge. Ich beneide ihn. In seinem Inneren kämpfen offenbar nur zwei Gefühle miteinander. Bei mir sind es Dutzende, wie mir scheint, aber der Zorn gewinnt die Oberhand.
    »Ich gehe nicht weg aus Little Cam. Mein ganzes Leben habe ich davon geträumt, jemanden, der so ist wie ich, an meiner Seite zu haben. Jemand, der weiß, wie es ist, ewig zu leben und sich nie verletzen zu können. Jemand, der…« Ich muss mich zwingen, nicht zu Eio hinüberzuschauen. »... der immer bei mir bleibt, der nicht alt wird und stirbt und mich allein lässt, während ich ewig jung bleibe.« Flehentlich strecke ich die Hände aus. Ich möchte so gern, dass er mich versteht. »Du hast recht, ich gehöre nicht dazu. Nicht in Little Cam und nicht in Ai’oa. Ich bin ganz allein, Onkel Antonio. Ich war es immer. Und wenn ich Little Cam verlasse, gebe ich meine einzige Chance auf, jemals zu irgendjemandem zu gehören. Dann bin ich für immer allein«, flüstere ich.
    »Du musst nicht allein sein, Pia!«, widerspricht Eio. »Warum begreifst du das nicht? Ich bin doch da!«
    »Ach ja? Für wie lange? Wie lange, Eio? Ich kann dich nicht… ich kann nicht mit dir zusammen sein in dem Wissen, dich irgendwann wieder zu verlieren. Ich kann das nicht.« Ich wende mich wieder Onkel Antonio zu. »Wenn ich irgendwo einen Platz habe, dann bei meiner eigenen Art. Und die gibt es noch nicht einmal. Das ist mein Traum, Onkel Antonio. Es ist meine Bestimmung.«
    »Das sind Paolos Worte«, entgegnet er kalt, »nicht deine.«
    »Onkel Paolo hat mich zu dem gemacht, was ich bin.«
    »Er macht ein Monster aus dir.«
    Jetzt reicht es mir. Es ist fast, als würde in meinem Kopf ein Schalter umgelegt. »Ich höre mir das nicht länger an. Das ist – das ist verrückt! Du bist verrückt. Ich gehe.« Ich drehe mich zum Fenster um, dann fällt mir ein, dass es ja auch eine Tür gibt.
    »Pia!« Seine Stimme erreicht mich in dem Moment, als ich das dünne Holz berühre. »Würdest du deine Meinung ändern, wenn du die Wahrheit wüsstest?«
    Ich reiße die Tür auf und antworte, ohne mich umzudrehen. »Woher soll ich das wissen, wenn ich die Wahrheit nicht kenne?«
    Der Dschungel erscheint dunkler als zuvor. Ich laufe blindlings los, stolpere über Steine und renne fast in Bäume hinein, so durcheinander bin ich. Ich höre Eio hinter mir, doch ich ignoriere ihn. Erst als er sich mir in den Weg stellt und mich nicht vorbeilässt, muss ich stehen bleiben.
    Er nimmt zärtlich meine Hand. »Komm, Pia.«
    »Nein, ich –«
    »Komm, Pia.«
    »Wohin gehen wir?«
    »Weiter.«
    Ich gebe nach, jeder Widerstand ist ohnehin zwecklos. Nicht einmal Onkel Antonio kommt gegen seinen Dickkopf an. Onkel Antonio. Eios Vater. Diese Offenbarung ist immer noch neu und unglaublich. Wie hat er dich die ganze Zeit vor mir geheim halten können?
    Aber vielleicht sollte ich auch eine andere Frage stellen: Hat Onkel Antonio recht? Seine Worte machen mir Angst. Es gibt so viel Böses in Little Cam. Aber niemand zeigt es mir. Ich sehe Schatten, höre geflüsterte Andeutungen, aber nichts von alldem ist sicher. Du sagst mir, ich soll wegrennen, aber du sagst mir nicht, warum! Er denkt wohl, er bräuchte mir nur zu erzählen, dass es viel Böses gibt – ohne mir zu sagen, was es genau ist –, und ich würde sofort alles Vertraute hinter mir lassen.
    Wie er das glauben kann, verstehe ich nicht. Wenn er mir die Wahrheit nicht sagt, gibt es sie vielleicht gar nicht.
    Sei ehrlich mit dir, Pia. Du weißt doch, dass es sie gibt. Trotz Eios Hand auf meiner fröstle ich. Du weißt, dass es stimmt. Du hast die Zellen gesehen. Du hast Paolos Augen gesehen. Es gibt da etwas, etwas, worüber niemand reden will…
    Ich

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