Die einzige Wahrheit
kommt sie mit.«
»Sie fühlt sich grenklich , Aaron. Du weißt doch, wie sie gestern den ganzen Tag ausgesehen hat.«
»Sie ist nicht krank.«
Sarah setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber. »Mittlerweile werden die anderen von diesem Kind gehört haben. Und von der Englischen .«
»Der Bischof weiß, was Katie gesagt hat, und er glaubt ihr. Falls Ephram beschließt, daß Katie eine Beichte ablegen muß, wird er zuerst herkommen und mit ihr sprechen.«
Sarah biß sich auf die Lippe. »Ephram glaubt Katie, wenn sie sagt, daß sie das Baby nicht getötet hat. Aber glaubt er ihr auch, wenn sie sagt, daß es nicht von ihr ist?« Als Aaron nicht antwortete, berührte sie seine Hand. »Glaubst du ihr?«
»Ich hab es gesehen. Ich weiß nicht, wie es da hingekommen ist.« Er verzog das Gesicht: »Katie und Samuel wären nicht die ersten, die ihrem Ehegelübde vorgegriffen haben.«
Sarah kämpfte ihre Tränen nieder und schüttelte den Kopf. »Das würde mit Sicherheit die Meinding bedeuten«, sagte sie. »Selbst wenn sie beichtet und sagt, daß es ihr leid tut, wird sie eine Weile unter Bann gestellt werden.«
»Ja, doch dann wird ihr vergeben werden, und sie wird wieder willkommen sein.«
»Manchmal«, sagte Sarah mit einem harten Zug um den Mund, »aber auch nicht.« Plötzlich stand die Erinnerung an ihren ältesten Sohn Jacob zwischen ihnen, machte sich am Tisch breit, so daß Aaron seinen Stuhl zurückstieß. Sie hatte Jacobs Namen nicht ausgesprochen, aber sie hatte seinen Geist in das Haus eingelassen, in dem er doch längst als tot galt. Aus Angst vor Aarons Reaktion wandte Sarah sich ab, hörte dann überrascht die Stimme ihres Mannes, jetzt leise und gebrochen.
»Wenn Katie heute zu Hause bleibt«, sagte er, »wenn sie so tut, als wäre sie krank, und sich nicht zeigt, fangen die Leute an zu reden. Sie werden denken, daß sie nicht mitgekommen ist, weil sie etwas zu verbergen hat. Es ist besser für sie, wenn sie so tut, als wäre es ein ganz normaler Sonntag.«
Zutiefst erleichtert nickte Sarah, erstarrte jedoch wieder, als Aaron fortfuhr: »Aber wenn sie unter Bann gestellt wird, stehe ich zuerst zu meinem Glauben und dann zu meinem Kind.«
Kurz vor acht Uhr spannte Aaron das Pferd vor die Kutsche. Katie stieg hinten ein, dann nahm seine Frau auf der Bank neben ihm Platz. Aaron griff genau in dem Augenblick nach den Zügeln, als die Englische aus dem Haus gelaufen kam.
Was für ein Anblick. Ihr Haar stand kreuz und quer, und auf der Wange hatte sie Druckstreifen vom Kopfkissen. Aber wenigstens trug sie ein langes Baumwollkleid, dachte Aaron, und erschien nicht in diesem schamlosen Aufzug wie gestern.
»He«, rief sie und fuchtelte mit den Armen, damit er nicht abfuhr. »Wo wollt ihr denn hin?«
»Zum Gottesdienst«, sagte Aaron knapp.
Ellie verschränkte die Arme. »Das dürft ihr nicht. Ich meine, Sie dürfen natürlich. Aber Ihre Tochter darf nicht.«
»Meine Tochter kommt mit zum Gottesdienst, wie schon ihr ganzes Leben lang.«
»Der Staat Pennsylvania hat Katie unter meine Obhut gestellt. Und ohne mich geht sie nirgendwo hin.«
Achselzuckend wandte Aaron sich seiner Frau zu.
Ellie hatte sich so manche falsche Vorstellung von den Kutschen der Amischen gemacht, hatte vor allem gedacht, daß sie unbequem sein mußten. Das Pferd hatte eine sanfte Gangart, die ihre Sinne beruhigte, und die Julihitze wurde durch den Wind gelindert, der durch die offenen Fenster strömte.
Ein Pferd bewegte sich mit knapp zwölf Meilen pro Stunde – so langsam, daß Ellie die grasenden Kälber auf einer Weide zählen und sich am Anblick der Wiesenblumen erfreuen konnte. Die Welt fegte nicht einfach vorbei, sie entfaltete sich. Ellie nahm alles mit staunenden Augen in sich auf.
Sie hielt auch Ausschau nach einer Kirche und war verblüfft, als Aaron die Kutsche in die Zufahrt einer Farm lenkte. Plötzlich befanden sie sich mitten in einer langen Reihe von Kutschen. Ellie sah keine Kapelle, keinen Kirchturm – bloß eine Scheune und ein Farmhaus. Aaron hielt an, und Sarah stieg aus. Katie gab Ellie einen Stoß. »Gehen wir.« Ellie stolperte aus der Kutsche und blieb dann erstaunt stehen.
Um sie herum waren lauter Amische. Es mußten gut über hundert sein, die sich in Grüppchen versammelten, leise miteinander sprachen und Hände schüttelten. Kinder flitzten um die Röcke ihrer Mütter und die Beine ihrer Väter, ein Heuwagen war der Futtertrog für die vielen Pferde. Sobald Ellie aus der Kutsche gestiegen
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