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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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geworden sind? Ist es dann nicht auch Ihre Farm?«
    Samuel zog den Kopf ein, spürbar verlegen. »Das wäre seine Entscheidung.«
    »Wer soll denn sonst die Farm übernehmen, vor allem wenn Katie verheiratet ist? Es sei denn, er hat noch einen Sohn auf der Hinterhand, den bisher noch keiner erwähnt hat.«
    Ohne ihr in die Augen zu sehen, sagte Samuel. »Er hat keine Söhne mehr.«
    Lizzie hakte nach. »Hatten die Fishers noch ein anderes Kind, das gestorben ist? Das eine war ja ein kleines Mädchen.«
    »Ja, Hannah.« Samuel schluckte. »Sonst ist kein Kind gestorben. Ich wollte sagen, daß er keine Söhne hat. Manchmal weiß ich nicht genau, wie ich mich bei den Englischen ausdrücken soll.«
    Lizzie musterte ihn. Samuel würde also die Farm erben – vorausgesetzt, daß er Katie Fisher heiratete. Und ein Enkelkind würde das Geschäft unwiderruflich machen. Hatte Katie den Säugling getötet, weil sie nicht an Samuel gebunden sein wollte? Weil sie nicht wollte, daß er die Farm erbte?
    »Bevor das Baby gefunden wurde«, fragte Lizzie, »hatten Sie und Katie da schon mal Streit?«
    Er zögerte. »Ich glaube nicht, daß ich Ihnen das erzählen muß.«
    »Doch, Samuel, das müssen Sie. Weil Ihre Freundin wegen Mordes vor Gericht kommt, und falls Sie irgendwie daran beteiligt waren, könnten Sie wegen Beihilfe angeklagt werden. Also – hatten Sie Streit?«
    Samuel wurde rot. Lizzie konnte es kaum glauben. Noch nie hatte sie einen so großen Mann so beschämt gesehen. »Nur wegen Kleinigkeiten.«
    »Zum Beispiel?«
    »Manchmal wollte sie mir keinen Gutenachtkuß geben.«
    Lizzie lächelte. »Ist das nicht ein bißchen so, als würde man die Stalltür schließen, nachdem das Pferd abgehauen ist?«
    Samuel blickte sie verwirrt an. »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
    Jetzt wurde Lizzie rot. »Ich wollte bloß damit sagen, daß mir ein Kuß doch recht harmlos erscheint, nachdem Sie sie geschwängert haben.«
    Seine Wangen glühten noch heftiger. »Katie hat kein Baby bekommen.«
    Also das Ganze noch mal von vorn. »Samuel, das hatten wir doch schon. Sie hat ein Kind bekommen. Das haben die Ärzte eindeutig festgestellt.«
    »Ich kenne die englischen Ärzte nicht, aber ich kenne meine Katie«, sagte er. »Sie sagt, daß sie kein Baby bekommen hat, und das stimmt; das wäre gar nicht möglich gewesen.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil.« Samuel wandte sich ab.
    » Weil reicht mir nicht, Samuel«, sagte Lizzie.
    Er drehte sich zu ihr um, und seine Stimme hob sich. »Weil wir uns nie geliebt haben.«
    Lizzie schwieg einen Augenblick. »Daß sie nicht mit Ihnen geschlafen hat«, stellte sie freundlich klar, »muß nicht bedeuten, daß sie nicht mit jemand anderem geschlafen hat.«
    Sie wartete, bis die Worte ihre Wirkung entfalteten, der schreckliche Rammbock, der Samuels letzte Schutzbarriere zusammenbrechen ließ. Der große Mann knickte ein, die Krempe seines Hutes stieß an seine Knie, seine Arme hielt er an seinen Bauch gepreßt.
    Lizzie erinnerte sich an einen Fall, der einige Jahre zurücklag. Die Freundin eines Juweliers hatte ihren Freund betrogen und war schwanger geworden. Anstatt den Seitensprung zuzugeben, versuchte sie, ihr Gesicht zu wahren, indem sie mit der Behauptung vor Gericht ging, sie wäre vergewaltigt worden. Der Mord an dem Baby ging möglicherweise nicht auf einen Streit zwischen Katie und Samuel zurück. Im Gegenteil. Anstatt zuzugeben, daß sie mit einem anderen geschlafen und gegen ihre religiösen Grundsätze verstoßen hatte, anstatt ihre Familie zu verletzen und ihre Pläne mit Samuel zu zerstören, hatte Katie sich des Beweises für ihren Fehltritt entledigt.
    Lizzie sah, wie Samuels Schultern bebten. Sie berührte seinen Rücken und ließ ihn dann allein mit der Wahrheit: Es war nicht so, daß er nicht glaubte, daß Katie ein Kind bekommen hatte; er wollte es nicht glauben.
    »Hat sie es getan?« flüsterte Samuel und umklammerte Ellies Hände wie eine Rettungsleine. »Hat sie mir das angetan?«
    Sie hatte nie geglaubt, daß man zusehen konnte, wie ein Herz brach, doch jetzt sah sie es mit eigenen Augen. »Samuel, tut mir leid. Ich kenne sie nicht gut genug, um das beurteilen zu können.«
    »Hat Sie Ihnen denn was gesagt? Hat sie Ihnen seinen Namen genannt?«
    »Wir wissen doch gar nicht, ob es einen ›anderen‹ gegeben hat«, sagte Ellie. »Die Polizistin will, daß Sie voreilige Schlüsse ziehen, weil sie hofft, daß Sie sich dann verplappern und irgendwas erzählen, das der Anklage

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