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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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hab nur gelogen, weil du und Dr. Polacci so sicher wart, daß ich was weiß«, sagte Katie mit tränenerstickter Stimme. »Ich weiß aber nichts, Ellie. Ehrenwort, ich weiß nichts. Ich bin nicht verrückt, wie du denkst … ich kann mich bloß nicht erinnern. Weder wie das Baby gemacht wurde, noch wie es gestorben ist.«
    Ellie sagte kein Wort. Sie hörte das leise Quietschen des Bettes, als Katie sich zusammenrollte und weinte. Sie zwang sich, nicht zu dem Mädchen zu gehen, dann kroch sie unter ihre Decke und zählte die Minuten, bis Katie schließlich einschlief.
    Samuel wischte sich den Schweiß von der Stirn und riß ein weiteres Bullenkalb zu Boden. Nach all den Jahren, die er nun schon für Aaron arbeitete, hatte er beim Kastrieren Routine entwickelt. Er wartete, bis das Tier nicht mehr trat, schob dann den Gummiring um den Hodensack. Wenige Sekunden später war das zwei Monate alte Kalb wieder auf den Beinen, warf Samuel einen verwirrten Seitenblick zu und trollte sich wieder auf die Weide.
    »Das ist aber ein kräftiges Kerlchen«, sagte eine Stimme, und Samuel fuhr zusammen.
    Er drehte sich um und sah Bischof Ephram auf der anderen Seite des Zaunes stehen. »Ja, der wird Aaron einen hübschen Gewinn einbringen.« Samuel lächelte Ephram an und ging durchs Tor zu ihm. »Wenn du nach Aaron suchst, der ist im Stall.«
    »Ich habe dich gesucht.«
    Samuel stutzte. Er war schon oft vom Bischof besucht worden, und nie hatte er das mit Schande oder irgendwelchen Fehltritten in Verbindung gebracht. Bis dann mit Katie alles schiefging.
    »Komm«, sagte Ephram. »Wir gehen ein Stück zusammen. Ich weiß übrigens noch, wie dein Vater dir dein erstes Kalb geschenkt hat.«
    Viele amische Väter schenkten ihren Söhnen ein Kalb, und der Erlös aus dem Verkauf des Fleisches wurde auf ein Bankkonto eingezahlt, für später, wenn der Junge vielleicht mal ein eigenes Haus oder eine Farm kaufen wollte. Samuel lächelte bei dem Gedanken an das Bullenkalb, das in einem Jahr fast tausend Pfund zugelegt hatte.
    Das Geld dafür hatte er immer noch. Er hatte alles für ein Leben mit Katie gespart, so hatte er zumindest geglaubt.
    »Wenn ich mich recht entsinne, hat der erste kleine Bulle damals dich kräftig getreten, genau dahin, wo Tritte besonders schmerzlich sind.« Ephram schmunzelte in seinen schneeweißen Bart. »Es war einen Moment lang fraglich, wer da wen kastrieren würde.«
    Samuel war rot geworden, aber er lachte. »Ich war neun Jahre alt«, rechtfertigte er sich. »Der Bulle war schwerer als ich.«
    Ephram blieb unvermittelt stehen. »Wessen Fehler war es?«
    »Fehler?«
    »Der Tritt. Die Tatsache, daß du verletzt wurdest.«
    »Na, der des Bullen natürlich.«
    »Aber wenn du ihn fester gehalten hättest, was wäre dann gewesen?«
    »Dann hätte er nicht so wild um sich treten können, das weißt du. Jedenfalls hab ich meine Lektion gelernt. Ich bin nie wieder getreten worden.« Samuel atmete tief aus. Er mußte zurück an die Arbeit. Heute hatte er nicht die Geduld für Ephrams Gedankenspielchen. »Bischof«, sagte er, »du bist doch nicht hergekommen, um mit mir über diesen Bullen zu reden.«
    »Nein?«
    Samuel setzte sich den Hut auf. »Aaron wartet sicher schon auf mich.«
    Bischof Ephram legte eine Hand auf Samuels Arm. »Du hast recht, Bruder. Warum sollten wir überhaupt über alte Geschichten reden? Nachdem der Bulle dich getreten hatte, bist du ihn ja auch gleich losgeworden.«
    »Nein, das stimmt nicht. Du weißt doch sicher noch, wie groß er geworden ist. Er war ein schöner Ochse. Als ich schließlich das Geld auf die Bank gebracht habe, hatte ich schon fast vergessen, daß er mich je getreten hat.«
    Der alte Mann sah ihn forschend an. »Ja. Aber als du an dem Tag japsend auf dem Rücken lagst, da hast du dir bestimmt nicht vorstellen können, daß am Ende doch noch alles gut werden würde.«
    Samuel wandte dem Bischof langsam den Kopf zu. »Du bist nicht hergekommen, um über diesen Bullen zu reden«, wiederholte er leise.
    Bischof Ephram zog die Augenbrauen hoch. »Nein?«
    Dr. Brian Riordan reiste im Privatjet, begleitet von zwei Männern, die aussahen wie gealterte Footballspieler, und einer kleinen Frau, die jedesmal zusammenfuhr, wenn er mit einem Wink irgendeine Aufgabe an sie delegierte. Unter forensischen Psychologen war er als einer der heftigsten Kritiker von Verteidigungsstrategien bekannt, in denen auf Unzurechnungsfähigkeit plädiert wurde, vor allem in Mordprozessen. Er hatte seine

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