Die Eiserne See - Brook, M: Eiserne See
befahl, die Maschinen abzuschalten. Die Vitruvian lag tief im Wasser, die Wasserlinie war beinahe schon beim zweiten Deck. Die Männer drängten in kleine Boote.
Seymours Luftschiff schaltete die Propeller an und ließ seine Plattform und Seile herunter, als es auf die Männer zuflog, die das Schiff verließen.
»Holt die Flaggen ein!«, rief Rhys. »Die restliche Flotte wird dann wissen, dass wir das Feuer einstellen.«
Mina hielt Ausschau nach den Haien. In knapp zweihundert Metern Entfernung schien das Wasser beinahe rot zu kochen – und da waren viel mehr als drei Haie.
»Yasmeen hat einen mit ihrer Gleiskanone getötet«, sagte Scarsdale neben ihr. Und das Blut hatte eine Orgie ausgelöst. Mit fasziniertem Entsetzen sah sie zu, bis ein Ruf aus dem Mastkorb ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.
»Die Endeavour wirft ihre Motoren an, Sir!« Der Mann zeigte auf eine Rauchsäule, die aus der Mitte der Flotte aufstieg. Mina drehte sich mit zitternden Knien um. Kein Generatorengeräusch, noch nicht.
»Sie ist außerhalb unserer Reichweite«, sagte Scarsdale.
»Aber nicht außerhalb der der Flotte.« Rhys trat an die Reling und gab der Mannschaft Befehle. »Setzt die Signalflaggen für Seymour! Und teilt der Flotte mit, sie soll die Endeavour in die Luft jagen.«
Mina hätte gern gesehen, wie die Schlachtschiffe das Schiff zerstörten, doch der Eiserne Herzog schickte sämtliche Bugger auf der Terror in den stahlverkleideten Frachtraum – auch sie und Scarsdale. Sie warteten dort, bis Rhys herunterkam und ihnen berichtete, dass die Endeavour nur noch aus ein paar treibenden Planken bestand, die in den Wolken aus Schießpulver kaum zu sehen waren.
Mina, die bei Andrew saß, umarmte ihn zuerst, bevor sie zu Rhys lief und sich zu einem süßen und siegestrunkenen Kuss hochheben ließ. Die schwindelerregende Erleichterung hielt auch während der endlosen Fragen an, als der Konteradmiral der Bellerophon und der Vizeadmiral des Vorhutgeschwaders an Bord kamen. Die Vitruvian war verloren, und obwohl ein Großteil der Mannschaft gerettet werden konnte, war Mina nicht überrascht zu hören, dass Burnett mit ihr untergegangen war. Doch selbst mit einem königlichen Erlass in Händen konnte der Tod eines Admirals nicht ohne eine eingehende Untersuchung hingenommen werden. Als sich die Admiräle entschieden, die Befragung fortzusetzen, ging Rhys mit ihnen an Bord von Seymours Schiff. Mina verbrachte den restlichen Nachmittag damit, einen langen Bericht an Hale zu verfassen. Bei Sonnenuntergang kamen Yasmeen und Scarsdale und nahmen mit ihr zusammen das Abendessen am Kapitänstisch ein – und da sie früh damit begonnen hatten, die Gläser auf ihren Sieg zu erheben, war sie in ausgelassener Stimmung, als es beinahe Mitternacht war und Rhys zurückkehrte.
Bei ihm waren Kapitän Seymour, mehrere Leutnants und Offiziere, welche die Positionen der Männer besetzen würden, die von der Dame hingerichtet worden waren. Während die Offiziere hinausgingen, um sich in ihren Kajüten einzurichten, kamen Rhys und Seymour herein. Yasmeen begrüßte den Luftschiffkapitän, erhob sich und streckte sich mit einer geschmeidigen Bewegung. Seymour erwiderte ihren Gruß, etwas röter als sonst.
Sie grinste und blickte zu Mina. »Ich breche morgen früh nach Venedig auf. Ich könnte Sie in fünf Tagen nach London bringen.«
Mina, die den scharfen Blick von Rhys wohl bemerkte, schüttelte den Kopf. »Ich bleibe an Bord. Aber könnten Sie Hale einen Bericht und meinen Eltern eine Nachricht überbringen? Sie wären sehr erleichtert zu erfahren, dass mein Bruder gefunden wurde.«
Yasmeen nickte, doch Seymour sagte: »Hören Sie, ich kann das innerhalb von zwei Tagen tun. Ich fliege voraus, um den Bericht des Vizeadmirals zur Admiralität zu bringen und sie darüber zu informieren, dass wir die Vitruvian verloren haben.«
Zwei Tage waren natürlich besser, und Yasmeen schien es nichts auszumachen. Ganz schwindlig vor Erleichterung und Freude überreichte Mina die Umschläge. Sie lächelte und nickte, als sie gingen, und wirbelte zu Rhys herum, sobald sie allein waren.
Er stand mitten in der Kajüte und betrachtete sie lächelnd. »Du bleibst also?«
»Ja«, sagte sie und stöhnte lachend auf, als er sie an seiner Brust hochhob, bis ihre Augen auf gleicher Höhe waren.
»Zwei weitere Wochen werden immer noch nicht genügen.«
Ein plötzlicher Schmerz verwandelte ihr Lachen in Leere. Er hatte recht. Doch es spielte kaum eine Rolle.
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