Die Eiserne See - Brook, M: Eiserne See
befreundet.«
»Nein.« Ungläubig suchte sie nach Anzeichen dafür, dass er log, konnte jedoch keine finden. »Aber er hat Euch gewaltsam rekrutiert.«
»Nicht gewaltsam. Ich war auf einem Sklavenschiff, das für die lusitanischen Kohleminen bestimmt war. Selbst die Königliche Marine ist besser als ein Minenschacht.«
»Als Sklave? Nein. Die Nachrichtenblätter haben berichtet, Ihr wärt ein Mitglied der Mannschaft gewesen. Zitiert nach Euren Worten.«
»Diese Lumpen haben meine Worte so verdreht, wie es ihnen gepasst hat. Und sie wollten keine Geschichte von einem Sklavenjungen. Also haben sie behauptet, ich wäre der Sklaventreiber.«
Mina starrte ihn an. »Und das kümmert Euch nicht?«
Er zuckte die Schultern. »Es ist eine nützliche Lüge. Die Alternative wäre, denjenigen, die mich vernichten wollen, das Bild eines schwachen kleinen Jungen zu geben, der in Ketten in einem Frachtraum sitzt.«
»Eine Lüge für Eure Feinde.« Sie schüttelte den Kopf. »Mir fallen viele Leute ein, die nicht Eure Feinde sind und die begeistert wären, sich Euch als schwachen kleinen Jungen vorzustellen, der die Ketten abgeschüttelt hat, um uns zu retten.«
»Um euch zu retten?« Sein Gesicht verfinsterte sich. » Das ist eine Lüge, die ich nie erzählen würde, Inspektor.«
Sie wandte den Blick von ihm ab. Etwas krampfte sich in ihrem Inneren zusammen und verursachte ihr Schmerzen vom Bauch bis zum Hals. Und sie hatte vergessen, warum sie begonnen hatten, über diese … Lügen zu sprechen.
»Warum erzählt Ihr mir die Wahrheit jetzt?«
»Weil Sie gefragt haben.«
Mina war sich nicht sicher, ob sie es erneut tun würde. »Einverstanden. Baxter ist also Euer Freund. Was für ein Mensch ist er?«
»Ein guter, Inspektor.«
Also würde sie einem guten Menschen erzählen, dass sein Enkel tot war. »Es gibt viele Arten von guten Menschen. Ist er sanft und freundlich, ein Mann, der schnell seinen Gefühlen nachgibt? Großzügig? Prinzipientreu? Ich muss wissen, was mich erwartet.«
Der Herzog nickte und schien darüber nachzudenken, als ob er es nicht gewöhnt wäre, seine Freunde mit Worten festzunageln. »Er trifft keine unüberlegten Entscheidungen. Schnell, aber nicht unüberlegt. Und er erwartet nicht mehr von seinen Männern als von sich selbst, verlangt nicht mehr von ihnen, als er selber zu geben bereit ist. Und er gibt jemandem eine zweite Chance, aber keine dritte.«
War das Trahaearns Vorstellung von einem guten Menschen oder einem guten Kapitän?
Vielleicht war das für ihn ein und dasselbe. »Er ist also anders als der Kapitän, gegen den Ihr gemeutert habt, als Ihr die Terror übernahmt?«
»Adams war den Schmutz nicht wert, in dem ich ihn habe verbluten lassen. Doch das hätte ich nicht gewusst, wenn ich nicht zuvor unter Baxter gedient hätte.«
Mina bezweifelte das. Laut den Berichten über die Meuterei, die sie gelesen hatte, war Adams ein brutaler und mordlustiger Tyrann gewesen. Eine Meuterei war unvermeidbar gewesen. Wenn es nicht Trahaearn gewesen wäre, dann hätte ein anderer die Mannschaft gegen ihn aufgehetzt.
Sie deutete ein Lächeln an. »Das ist die Antwort. Baxter ist also der Typ Mann, der einen jungen Matrosen zur Meuterei auf einem anderen Schiff veranlassen kann.«
Trahaearn grinste. »Ja, schreiben Sie es Baxter zu. Ich tue es noch immer.«
Nein, das tat er nicht. Nicht wirklich. Mina konnte nicht bewundern, was der Herzog getan hatte, doch sie hatte es noch nie erlebt, dass er die Schuld jemand anderem in die Schuhe geschoben hätte. Er stand zu den Entscheidungen, die er getroffen hatte, und zu deren Folgen.
Warum auch nicht? Für ihn war ein Herzogtum dabei herausgesprungen.
»Hattet Ihr in letzter Zeit mit dem Admiral zu tun?«
»Nein.«
»Haynes’ Tod hat also wahrscheinlich nichts mit Eurer Verbindung zu Baxter zu tun, sondern mit dem Schiff.«
»Wahrscheinlich.«
»Warum kein persönlicher Angriff auf Euch? Warum die Marco’s Terror benutzen? Ihr habt sie der Marine übergeben. Sie gehört Euch nicht mehr.«
Er schien plötzlich angespannt. »Machen Sie keinen Fehler, Inspektor. Sie gehört mir.«
Grimmige Besessenheit erfüllte seine Stimme. Mina hatte das nicht erwartet. »Warum habt Ihr sie dann der Marine übergeben?«
Er antwortete nicht.
In Ordnung. Vielleicht war das ja die falsche Frage . Jeder, der ihn nicht gut kannte, hätte wahrscheinlich dasselbe gedacht wie sie: Die Terror aufzugeben legte nahe, dass ihm nicht viel an ihr lag. »Wer könnte
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