Die Eiserne See - Brook, M: Eiserne See
Hülle lag auf einem schwerfälligen zylindrischen Gefährt, das vielleicht ein Unterseeboot gewesen war. Zwei weitere beleuchtete Durchgänge gingen von dem Raum ab; einer befand sich direkt gegenüber, der andere auf der rechten Seite. Mina bahnte sich hinter Trahaearn einen Weg zwischen den Maschinen hindurch. Für sie, die an den penibel aufgeräumten Dachboden ihrer Mutter gewöhnt war, schien dieser Ort ein schreckliches – und gefährliches – Durcheinander zu sein.
Ein schwaches Rufen erklang aus dem Korridor ihnen gegenüber. Trahaearn blieb stehen. Mina tat es ihm gleich und lauschte, als das Rufen weiterging. Männlich, jung, aber nicht wütend oder in Panik – es klang eindeutig gelangweilt und überheblich.
»Das ist das Rufen von jemandem, der seinem Gefängniswärter das Leben zur Hölle machen möchte, Sir«, sagte Newberry hinter ihr. »Doch er glaubt nicht wirklich, dass er freikommt.«
Mina nickte, ihr Herz raste. Andrew war bei den Jungen, die als Geiseln gehalten wurden, nicht genannt gewesen , aber vielleicht hatte man ihn einfach nicht auf die Liste geschrieben.
Sie musste darauf hoffen.
Trahaearn ging langsam zu dem Durchgang und blieb dann stehen. Im Umdrehen warf er Newberry die Feuerbüchse zu und zückte eine Machete. »Gehen Sie zurück, Konstabler«, sagte er leise. »Behalten Sie den Korridor im Auge, und blasen Sie jedem den Kopf weg, der dort auftaucht.«
Minas Nackenmuskeln verkrampften sich. Ein anderer Geruch empfing sie, als sie in den Korridor trat, vertrauter als eine Opiumhöhle – und er wurde stärker, als sie den nächsten Raum erreichten.
Es roch nach Verwesung.
Trahaearn blieb am Ende des Korridors stehen. »Inspektor.«
Sie trat zu ihm und atmete durch den Mund, als der Geruch unerträglich wurde. Dann warf sie einen Blick in den Raum. Oh … du lieber Himmel. Was einst eine Kapelle gewesen war, war nun ein Leichenschauhaus. Vier hölzerne Kirchenbänke waren an die Wand geschoben worden, und auf dem Boden lagen in drei Reihen mit Laken verhüllte Leichname – fünfzehn insgesamt.
»Gebt mir Deckung«, sagte sie leise. Sie kniete sich neben den ersten Leichnam. Ihre Finger fanden den Rand des Lakens unter steifem Haar, und sie zog es vom Gesicht. Er konnte nicht länger als ein paar Tage tot sein. Sie schob seinen Kragen beiseite. Rotgeränderte Eiterbläschen hatten unter seinem Kinn einen Ausschlag gebildet. Seine geschwollene Zunge war dunkelrot, die Gefäße in seinen Augen wie Strahlenkränze. Ungewöhnlich, doch sie hatte so etwas zuvor schon mal gesehen.
Sie deckte ihn wieder zu und blickte zu Trahaearn. »Bug-Fieber.«
»Und die anderen?«
Wahrscheinlich kein Fieber. Es war nicht ansteckend – und trat normalerweise nur dann auf, wenn eine schwere Verletzung die Naniten zwang, ihre Heilkräfte übermäßig zu beanspruchen und sich zu schnell replizieren zu müssen, was den Körper von innen heraus verbrannte.
Sie zog das nächste Laken zurück. Ein eisiger Schauer überlief sie. »Dieser hier auch.«
»Wie?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht hat sie ja eine Explosion erwischt oder sie sind alle zur gleichen Zeit verletzt worden.«
Sie zog auch die anderen Laken weg und suchte nach Blut und Prellungen, die ungewöhnlich waren. Es gab nichts, was man für das Fieber hätte verantwortlich machen können – auch nicht am nächsten Leichnam.
»Ich habe auch an Haynes’ Leichnam nichts Ungewöhnliches entdecken können«, stellte sie fest.
»Haynes ist an Bug-Fieber gestorben?«
»Nein. Absolut nicht.« Sie schüttelte den Kopf und blickte zu ihm auf. »Auch wenn er gefroren war, hätte das Fieber Spuren hinterlassen.«
Trahaearn nickte mit grimmig verzogenem Mund. Auch er begann, Laken von den Leichen zu ziehen und diese zu überprüfen. Ein paar sahen aus, als wären sie erst seit ein paar Stunden tot.
»Evans und die Dame sind nicht dabei«, sagte er. »Fünfzehn Männer und Frauen … das muss ihre gesamte Mannschaft gewesen sein.«
Und es konnte nichts mehr für sie getan werden. Mina stand auf. »Gehen wir weiter.«
In einem weiteren Raum, der als Speisezimmer und Salon gedient hatte, entdeckte Trahaearn einen kurzen Korridor, der an einer Holztür mit einem Gitterfenster endete. Ein Gesicht blickte zwischen den Gitterstäben hindurch. Einen Moment später waren Jubel und Freudenschreie zu hören. Mina machte ihnen erfolglos Zeichen, ruhig zu sein.
Verdammt noch mal . Newberry stand noch immer am Anfang des Korridors, als Mina auf die
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