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Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

Titel: Die eiskalte Jahreszeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.D. Miller
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Studentenheim, in dem ich gewohnt hatte, in einer der weniger vornehmen Straßen von Edgbaston. Dann sah ich Mascha neben mir unter der verschlissenen Bettdecke im schmalen Dachbodenbett. Das zarte blonde Haar auf ihren Rückenwirbeln glitzerte in dem durchs Fenster fallenden Mondlicht wie ein in unsichtbarer Tinte auf ihren Körper geschriebener Liebesbrief.
    Ich musste pinkeln, die nächtliche Schwäche, die mich mit Mitte dreißig befiel – ein früher Wegweiser in Richtung Grab, wenn man es genau bedenkt, so wie es in den Zwanzigern die neuen, mörderisch brummschädeligen Kater am Tag danach gewesen waren. In Boxershorts knarrte ich die Treppe hinab, vorbei an Katja, die auf dem Sofa schlief, zog Stiefel an, meinen Mantel, wankte nach draußen, pinkelte und sah meine animalische Wärme den tiefen Schnee auftauen. Im Mondlicht konnte ich die bislang verdeckten grünen Blätter am Grunde des Loches erkennen, das ich ins Weiß bohrte.
    Wenn ich jetzt beim Schreiben daran zurückdenke, an meine verlorenen Jahre in Moskau, halte ich trotz allem, was geschah und trotz allem, was ich tat, jene Nacht für die glücklichste meines Lebens, eine Zeit, zu der ich stets zurückkehren würde, wenn es denn möglich wäre.

SIEBEN
    W ährend ich in Moskau war, habe ich auf der Straße oder durch ein Fenster hin und wieder ein Geräusch gehört – oder es doch zu hören gemeint –, ein Geräusch wie dieses gewisse Kreischen, mit dem Londoner Taxis vor einer Bodenschwelle bremsen oder um die Ecke biegen. Hin und wieder hätte es mir auch gefallen, jemand hätte sich bei mir entschuldigt, wenn er mir in der Metro auf die Füße trat, wie man es in der U-Bahn in London tat. Ich schätze, auf Grundlage dieser Reflexe könnte man behaupten, etwas in mir würde England vermissen. Hin und wieder wünschte ich auch, ich könnte in Londons gesetzestreuer, unhektischer Vertrautheit ein wenig Druck ablassen, nur für eine Stunde oder so, doch wurde dieser Wunsch nie so stark, dass ich wirklich heimfahren wollte, nicht einmal zum Ende hin. Eigentlich waren London und Luton nicht mehr mein Zuhause.
    Als ich in jenem Winter an Heiligabend mit dem Taxi durch den grauen Schneematsch zum Flughafen Domodedowo fuhr, meinte der Fahrer, wissenschaftlich beweisen zu können, dass Russinnen die bestaussehenden Frauen der Welt seien, mit Ausnahme vielleicht der Frauen von Venezuela. Die Theorie hatte, wenn ich mich recht erinnere, damit zu tun, dass in Russland nur wenige Männer den Krieg überlebt haben, weshalb sie sich unter den zahlreichen Mädchen die schönsten aussuchen durften und diese wiederum schöne Töchter zur Welt brachten und so weiter. Offenbar war jemand Wichtiges unterwegs, da die Straßen zeitweilig von Streifenwagen gesperrt wurden und wir unter dem verschneiten, ausgestreckten Arm der Lenin-Statue an der Station Oktjabrskaja im Stau standen. Angler, die neben den ins Eis geschlagenen Löchern hockten, betüpfelten die gefrorene Fläche des Stausees. Als mein Pass am Flughafen abgestempelt wurde, empfand ich jene Leichtigkeit, die jeder fühlt, selbst wenn er Moskau liebt, spürte wie die Last ungehobelter Verkäufer, räuberischer Polizisten und des unmöglichen Wetters von mir genommen wurde, spürte die Leichtigkeit, Russland verlassen zu können.
    Es war bereits dunkel, als wir in London ankamen. Aus der Luft hatte es ausgesehen, als führten die blitzenden Lichter entlang der Straßen, der Themse und rund um die strahlend hellen Fußballstadien ihre elektrische Show allein für mich auf, mir zu Ehren, dem siegreichen Anwalt des Unternehmensrechts.
    Drei Stunden später heulte ich innerlich in der Lutoner Doppelhaushälfte meiner Eltern und kippte den Supermarktscotch meines Vaters in mich hinein. Sie gaben sich redlich Mühe, aber du weißt ja, wie sie sind – irgendwie schaffen sie es immer, dass ich mich zugleich klaustrophobisch beengt und einsam fühle. Ich traf vor den anderen ein und schlief in dem Schlafzimmer, das ich mir mit meinem Bruder geteilt habe, bis er zur Universität ging. Meine Mum versprach erneut, mich zu besuchen; sie wolle Sankt Petersburg sehen. Wie es da denn sei Anfang März? Kalt, erwiderte ich, noch sehr kalt. Meinem Vater bereitete der Rücken Probleme, aber er gab sich Mühe, das merkte ich ihm an, und er fragte, wie denn die Arbeit laufe und ob der russische Präsident wirklich so schlimm sei, wie ihn die Presse darstellte. Ich habe keine Ahnung, warum er unterschwellig immer wirkt, als

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