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Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

Die eiskalte Jahreszeit der Liebe

Titel: Die eiskalte Jahreszeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.D. Miller
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einen Kellner zu sich. Zigarettenqualm, russischer Techno und der Duft von De-luxe-Frauen machten die Luft zum Schneiden dick.
    »Was haben Sie den Türstehern gezeigt?«
    Er öffnete die Tasche und holte eine Karte heraus, auf der einen Seite ein doppelköpfiger Adler, auf der anderen sein Passfoto. Laut dieser Karte arbeitete er für das Wirtschaftsministerium im Kreml. Seine Finger spielten mit der illegalen Karte. »Verboten«, sagte er, »heißt nur teuer.«
    Wir bestellten uns Cocktails, und als sie kamen, brachte der Kosak einen Trinkspruch aus, dann noch einen und noch einen: »Auf unsere Freundschaft … auf unsere Zusammenarbeit … mögen Ihre Familien sich mehren und gedeihen … mögen Ihre Länder stets in Frieden miteinander leben … mögen Sie uns eines Tages im Norden besuchen kommen.« Ein russischer Trinkspruch ist der feuchtfröhliche Traum von einem anderen Leben.
    »Es gibt da etwas, was ich Sie fragen möchte«, sagte ich.
    »Nur zu«, erwiderte der Kosak, öffnete weit die Arme und setzte eine unschuldige Miene auf.
    »Haben Sie schon mal von einer Firma namens MosStroiInvest gehört?«, fragte ich neugierig.
    »MosStroiInvest? MosStroiInvest? … Nein, ich glaube nicht. Oder doch, vielleicht. Warum?«
    »Ich habe eine Bekannte, die etwas von MosStroiInvest kaufen will. Eine Wohnung, und ich hätte gern gewusst, wie verlässlich diese Firma ist.«
    »Verstehe«, sagte der Kosak. »Ich werde ein paar Nachfragen anstellen, okay? Ich höre mich bei meinen Freunden im Baugewerbe um und gebe Ihnen Bescheid. Nächste Woche vermutlich. In Ordnung?«
    »Danke.«
    »Und jetzt«, sagte der Kosak, »gibt es da etwas, was ich Sie fragen möchte, mein Freund. Über diese beiden jungen Frauen.« Er drohte mir mit einem Finger.
    »Was für Frauen?«, wollte Paolo wissen.
    »Haben Sie es mit einer von ihnen getrieben?«, fragte der Kosak. »Oder mit beiden? Etwa mit beiden zusammen?«
    »Sie sind Schwestern«, antwortete ich.
    »Was es umso interessanter macht«, sagte der Kosak. Ich glaube, das wurde ihnen antrainiert, diesen russischen Schlapphüten: etwas über einen herauszufinden, irgendeinen kleinen, nichtssagenden Brosamen an Information, den sie dann gegen dich verwandten, so dass man sich fragte, woher sie das wussten, was sie vielleicht außerdem noch wussten, wem sie es weitersagen könnten; und man begann, sich Sorgen zu machen.
    »Sind es gute Mädchen, Nicholas?«
    »Ja, ich glaube schon.«
    »Seien Sie vorsichtig«, sagte der Kosak. »In unserem geliebten Russland können die Menschen manchmal weniger freundlich sein, als es den Anschein hat. Verstehen Sie?«
    Das Handy des Kosaken schlug an (sein Klingelton war ›The Final Countdown‹). Er meldete sich, murmelte irgendwas und brachte dann einen letzten Toast aus, den Lieblingsspruch der Moskauer Flachköpfe: ›Möge der Schwanz stets steif und reichlich Geld vorhanden sein!‹ Dann gab er dem Kellner seine Kreditkarte, küsste uns auf beide Wangen, sagte ›ciao‹ zu Paolo und ging.
    Danach habe ich nie wieder mit ihm geredet und ihn auch nicht mehr gesehen, zählt man die wenigen Male nicht mit, bei denen ich ihn, Monate später, in den Nachrichten am Fernsehschirm entdeckte – während des letzten Krieges im Kaukasus, als er bereits stellvertretender Verteidigungsminister geworden war und ich meinte, ihn grinsend im Hintergrund zu entdecken, als der Präsident sich mit einer Ansprache an das wütende russische Volk richtete.
    »Barbar«, flüsterte ich vor mich hin oder irgendwas ähnlich Unhöfliches.
    Ich weiß nicht, woran es lag, ob daran, dass er fand, ich täte ihm unrecht, oder daran, dass er insgeheim glaubte, ich hätte recht, ob seine Frau ihm wegen eines neuen BMW s zusetzte oder wegen eines Faceliftings, keine Ahnung, jedenfalls flippte Paolo aus.
    »Denkst du denn, du bist so viel besser, Nicholas?«, fragte er mit entblößten Zähnen und sah im veilchenfarbenen Restaurantlicht plötzlich alt aus. Seine Grammatik schien unter dem Druck nachzugeben. »Glaubst du denn, du englischer Gentleman, in London so etwas läuft völlig anders ab? Kann sein, sie gehen subtiler vor,
ecco
, netter, sauberer« – er tat, als wüsche er sich die knochigen Hände –, »aber im Grunde ist es da wie hier. In Italien auch. Überall dasselbe. Stark und schwach, Macht, keine Macht, Geld Geld Geld. Das hat mit Russland nichts zu tun. So ist das Leben. Mein Leben, Nicholas, und deins auch.«
    Vielleicht musste ich an das denken, was

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