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Die Eiskrone

Die Eiskrone

Titel: Die Eiskrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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wußte jetzt schon, daß sie Ludorica nicht im Stich lassen würde.
    »Ich hatte ein schwaches Weib zu spielen, damit sie mich nicht noch schlechter behandelten. Deshalb habe ich wenig von ihnen gesehen. Sie tragen zwar die Kleidung von Waldläufern, doch ich glaube nicht, daß sie es auch sind. Und wie ich ihnen in die Hände fiel?« Sie zuckte die Schultern; die Kette spannte sich, und der Kragen zerrte an ihrem Hals, so daß sie husten mußte. »Das weiß ich nicht. Ich lag friedlich schlafend in meinem Bett in Hitherhow, aber als ich aufwachte, fand ich mich auf einem rumpelnden Karren, und der Regen ertränkte mich fast. Dadurch kam ich wieder zu mir. Dann überfiel uns der Sturm, und ein Baum stürzte auf uns. Der Wagen war völlig demoliert, und jener, der ihn gefahren hatte, mußte wohl kein Interesse mehr an den Angelegenheiten dieser Welt gehabt haben. Mich zogen sie unter den Trümmern hervor und brachten mich hierher.«
    Nun schwenkte sie plötzlich auf ein anderes Thema ein. »Eine Vordainierin bist du nicht. Solltest du eine Schmugglerin sein, so wird man dir alles nachsehen und dir zudem noch einen vollen Beutel geben. Mach das Ding hier von meinem Hals weg und bringe mich zu dem Posten in Yatton.« Sie bemühte sich noch immer, Roanes Gesicht klar zu erkennen.
    Aber Roane antwortete nicht. Die Prinzessin kniff die Lippen zusammen, als sei sie ungehalten, und fuhr fort: »Mir scheint, du hast allen Grund, dich vor denen da unten nicht sehen zu lassen. Nun, dann gehen wir davon aus, daß deine Feinde auch die meinen sind. Wir sollten uns gegen sie verbünden … Deine Sprache klingt fremdartig. Von Reveny bist du nicht, und du sprichst auch nicht wie eine Frau aus Vordain oder Leichstan. Gehörst du zu den Söldnern aus dem Norden? Egal, woher du auch stammst – du kannst deine Zukunft auf der Dankbarkeit von Reveny aufbauen, und das ist keine Kleinigkeit!«
    Was konnte es schon schaden, wenn sie, Roane, half? Sie hatte sich ja schon in die Angelegenheiten des Planeten eingemischt, allein damit, daß sie der Prinzessin ihre Anwesenheit kundtat. Verschwände sie jetzt, indem sie an der Wand hinaufkletterte und damit die Freiheit erreichte, dann konnte die Prinzessin ihre Gefangenenwärter alarmieren, oder sie selbst konnte oben in der Falle sitzen und entdeckt werden. Brächte sie aber die Prinzessin von hier weg, dann konnte sie immer noch vorgeben, sie in den Wäldern zu verlieren. Sollte sie doch ruhig glauben, daß sie eine Schmugglerin sei!
    Die Prinzessin mochte sie vielleicht sogar für einen Mann halten, da Roane sehr kurze Haare und einen Coverall trug.
    »Na, schön«, antwortete Roane endlich widerstrebend. »Aber dieser Kragen …« Sie richtete den Strahl ihrer Lampe erst auf den Eisenkragen und folgte dann der Kette, die an einem Bettpfosten festgemacht war. Sie war mit einem Schloß gesichert, aber wie sollte sie dieses Schloß öffnen?
    Zwei Möglichkeiten gab es – Bettpfosten oder Kette. Ihre Hand tastete nach einem Werkzeug an ihrem Gürtel. Wenn sie es benützte, verstieß sie gegen alle Regeln und Vorschriften. Komisch – je länger sie hier war, desto selbstverständlicher wurde es, daß sie helfen mußte; es war so, als erweckte der Wunsch der Prinzessin ihre kameradschaftliche Hilfsbereitschaft.
    Roane bückte sich, hielt den Stab, den sie aus der Schutzhülle zog, in das Licht ihrer Lampe und stellte ihn ein. Dann berührte sie mit ihm die Kette. Es gab einen Blitz, Roane schob den Stab in die Schutzhülle am Gürtel und zerrte ein wenig an der Kette. Sie brach auseinander. Die Prinzessin seufzte erleichtert auf.
    »Den Kragen wirst du wohl noch eine Weile tragen müssen«, wisperte Roane. »Ich wage es nicht, ihn so nahe an deinem Hals zu durchschneiden.«
    »Daß ich soweit frei bin, ist sehr viel, und ich danke dir. Aber die Männer unten … Solltest du zufällig einen Dolch bei dir haben …«
    Ludorica hatte die Kette mit einer Hand zusammengefaßt und auf das Bett gelegt, so daß sie keinen Lärm machte. Beide standen auf. Das ehemals weiße, jetzt sehr schmutzige Kleid der Prinzessin bauschte sich um ihren Körper. Einer ihrer Zöpfe hatte sich aufgelöst, und lange Locken hingen ihr über die Schulter. Angewidert zupfte sie mit spitzen Fingern die Überreste der Lumpen aus ihrer Kleidung.
    Roane musterte zweifelnd die Kleider der Prinzessin. Der einzige Weg in die Freiheit führte über jene Löcher in der Mauer, und mit solchen Unmengen Stoff um die Beine konnte die

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