Die Eisläuferin
geben, nicht wahr?«
Durchaus ein guter Beitrag, nein, wirklich, man pflichtete |52| ihm bei, unter Bezug auf Plan A, der inzwischen, so schien es ihm, zu Plan B geworden war, da es so herum mehr Spaß machte. Neustart eben.
Es war bereits früher Nachmittag, als sie in der Klinik eintrafen. Sie kam ihnen im Morgenmantel auf dem Flur entgegen, sehr aufgeräumt, was akuten Anlass zu größter Hoffnung gab. Sie erkannte auch ihren Mann: »Mein Lieber, guten Tag! Heute geht es mir schon sehr viel besser. Ich glaube, die Seekrankheit legt sich langsam.«
Hoffnung und Enttäuschung liegen ja oft dicht beieinander. Hätte sie doch einfach nichts gesagt in diesem einen Moment. Er lächelte beschwichtigend in die Runde. »Nun, aber wir haben doch zumindest faktisch festen Boden unter den Füßen, nicht wahr? Du scheinst deinen Humor wiedergefunden zu haben. Wie schön.«
Der engste Regierungsstab, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, rückte etwas enger zusammen und machte einen kleinen Schritt nach vorn.
»Ich weiß, ehrlich gesagt, beim besten Willen nicht, was ich gerade jetzt auf diesem modernen Kreuzfahrtschiff soll, wo sich gerade Entwicklungen weltpolitischen Ausmaßes ankündigen. Das alles brennt mir unter den Nägeln. Wir müssen das Regierungsprogramm komplett neu aufstellen.« Sie zog den Frotteegürtel etwas enger. »Und hier kann ich noch nicht einmal das Wasser sehen. Gibt es einen Zubringer, wenn wir anlegen?«
Sie schaute kurz an ihrem Mann vorbei auf ihren engsten Stab, hielt ihn wohl für das Bordpersonal, drehte sich um und ging festen Schrittes wieder in ihre Kabine.
|53| Der Gesundheitsplan
Er war mittlerweile extrem kritisch geworden, was an sich nichts Neues für ihn war und darauf hindeutete, dass er nach Optimierungsmöglichkeiten suchte. Doch zugleich war da ein diffuses Gefühl der Unkontrolliertheit. Angst. Und wenn er die bekam, ohne genau zu wissen, wovor eigentlich, dann konnte das eine äußerst unbefriedigende Situation darstellen. Dieses Gefühl passte in keine verdammte Formel dieser Welt. Er hatte seit Längerem schon befürchtet, dass jetzt eine gehörige Portion Arbeit auf ihn zukommen würde und dass er auf absehbare Zeit eine ganze Reihe von Vorträgen in den Staaten würde absagen müssen. Aber was um Himmels willen sollte er jetzt genau tun? Er wünschte, er hätte mir ihr unter dem Schild gestanden.
Die junge Ärztin erwartete ihn bereits, als er anklopfte und in ihr Büro trat, das überraschend klein und dunkel war. Sie schob die Papiere wie mit einem Schwimmzug auf die Seiten des Schreibtisches und sah ihn an. »Kommen Sie, setzen Sie sich. Entschuldigen Sie die Unordnung.« Zwischen ihnen lag nun nichts mehr, nur blanke Fläche, und jetzt schaute sie ihm auch noch direkt in die Augen. »Wie geht es Ihnen heute?«
»Mir?«
»Ja, Ihnen. Wie es Ihrer Frau geht, weiß ich momentan bis hin zur letzten Hirnfrequenz.«
|54| Der Holzstuhl, auf dem er Platz genommen hatte, war mit schwarzem Kunstleder überzogen, auch die Lehnen, und dort legte er jetzt erst einmal seine Unterarme ab. »Nun, ich weiß noch, was ich gestern getan habe. Und das ist ja schon mal etwas.« Er versuchte es wieder mit dem Lächeln. Die obere Zahnreihe kam dabei wohl zum Vorschein, aber die untere Mundpartie wollte sich nicht so recht heben, klappte vielmehr nach unten weg. Es könnte mechanisch aussehen, befürchtete er, aber das konnte sie ihm unter den doch recht schwierigen Umständen wohl kaum verübeln.
Sie lächelte zurück – mit den Augen, wie seine Frau. Er hatte ihr Lächeln immer gemocht, wenn ihre kleinen Fältchen rund um die Augen plötzlich ihre ganze Wirkung entfalteten.
»Verstehen Sie sich gut mit Ihrer Frau?«
Sie wurde persönlich, ohne Umschweife, als hätte sie seine Gedanken erahnt, und dies traf ihn unvorbereitet, sofern man überhaupt vorbereitet sein konnte auf die doch recht unüberschaubare Lage, in der er sich befand. Er würde sich mit Überraschungen anfreunden müssen.
»Sie ist ein prima Kerl.« Er kam sich überrumpelt vor und korrigierte: »Wir sind durchaus eng und vertrauensvoll miteinander, sofern ihr Amt das zeitlich zulässt.«
»Wunderbar. Sehen Sie, wir haben natürlich einen professionellen Therapeuten für solche Fälle, aber Sie sind sozusagen ihr Cheftherapeut. Sie hat Sie bereits in ihrer bewussten Vergangenheit gekannt, Sie sind für sie die Tür zum Hier und Jetzt oder, wie kann ich es noch ausdrücken«, sie lehnte sich zurück
Weitere Kostenlose Bücher